Bulldozer gegen zarte Blüten

Wer als ausgemachter Staats- und Systemfeind revolutionären Ansporn braucht, sollte die Bild-Zeitung lesen. Sie berichtete aus Berlin: »Am Freitagabend marschierten vermummte Linksextremisten durch Mitte – mit Transparenten: ›Ganz Berlin hasst die Polizei!‹ Einen Tag später zogen 2 000 Linksextreme vom Kottbusser Tor (Kreuzberg) zum letzten linken Terror-Nest in der Liebigstraße 14 (Friedrichshain). Auf dem Weg eskalierte die Gewalt.« Was das Blatt als »linkes Terror-Nest« bezeichnet, ist für einige Hausbesetzer »eine zarte Blüte, die (…) von einem Bulldozer überrollt werden soll«, wie es in einem Redebeitrag auf der Demonstration am Samstag hieß. Die angekündigte Räumung wurde als »ultimative Kampfansage« an die Friedrichshainer Hausbesetzer verstanden. Die Antwort lautet: »Jede Räumung hat ihren Preis – expect resistance!« Der bisherige Höhepunkt der Kampagne gegen die Räumung war die Demonstration – auf der einige merkwürdige Redebeiträge zu hören waren. So folgte der sympathischen Forderung, dass die Häuser denen gehören sollten, die darin wohnen, eine politische Lektion aus der Villa Kunterbunt: Wenn die Häuser ersatzlos enteignet worden seien, müsse man nur noch die Gebühren für die Müllabfuhr, den Strom und das Wasser zahlen und käme so viel billiger weg. Anschließend gelte es noch, einen gerechten Lohn zu erkämpfen. Wer sich mit einer solchen Milchmädchenrechnung und einem »gerechten Lohn« zufrieden gibt, statt das Lohnsystem grundsätzlich zu kritisieren, hat offenbar den Marx-Lesekreis geschwänzt. Vielleicht beschränkt sich die Kritik an den herrschenden Zuständen bei vielen Besetzerpunks deshalb auf den Hass auf »die Bullen«. Die Polizei wurde auf der Demonstration jedenfalls ganz besonders bedacht – mit Redebeiträgen, Sprechchören und Steinwürfen. Aber zumindest garantiert die Drohung mit dem Straßenkampf und einer kaputten Innenstadt, dass die Hausbesetzer überhaupt die nötige Aufmerksamkeit erhalten.