Initiativen gegen Rechts kritisieren die Extremismusklausel

Ein Bekenntnis lohnt sich

Initiativen gegen Rechts wehren sich weiterhin gegen die sogenannte Demokratieerklärung. Auch SPD, Grüne und das Land Berlin lehnen die Extremismusklausel mittlerweile ab. Ob den betroffenen Organisationen tatsächlich die Freiheit vom Bekenntniszwang wichtiger ist als ihre Finanzierung, muss sich erst noch zeigen.

Unterschreiben oder nicht? Zwar protestierten zivilgesellschaftliche Organisationen vergangene Woche mit einem Aktionstag dagegen, zukünftig eine »Demokratieerklärung« unterzeichnen zu müssen. Dennoch dürfte die Mehrheit der staatlich geförderten Initiativen gegen Rechts eine solche Klausel unterschreiben. Schließlich hängt ihre Finanzierung davon ab. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte Ende vergangenen Jahres die »Demokratieerklärung ­gegen Extremismus« (Jungle World 44/10) eingeführt. So ist die Vergabe von Mitteln an Initiativen gegen Rechts in diesem Jahr erstmals von einem Bekenntnis zum Grundgesetz abhängig. Zudem sind die Organisationen dazu verpflichtet, Partnerorganisationen oder Referentinnen und Referenten ebenfalls auf ihre »Verfassungstreue« zu überprüfen. So will das Ministerium verhindern, »dass einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird«. Insbesondere das Betätigungsfeld des Antifaschismus ist verdächtig, wie aus einem Dokument des Familienministeriums hervorgeht.

Das »Alternative Kultur- und Bildungszentrum« in Pirna verzichtete im vergangenen November auf den mit 10 000 Euro dotierten sächsischen Demokratiepreis, hätten seine Betreiber doch zugleich auch eine »Extremismusklausel« unterzeichnen müssen. Über 1 000 Initiativen und Einzelpersonen erklärten daraufhin in einem »Aufruf gegen Generalverdacht und Bekenntniszwang«, ebenfalls die Abgabe einer »Gesinnungserklärung« zu verweigern. Je näher jedoch der Tag rückt, an dem die Bescheide mit der zu unterzeichnenden »Demokratieerklärung« eintrudeln sollen, desto kleinlauter werden manche staatlich alimentierte Initiativen. Während des Aktionstags, an dem eigentlich die Streichung der Klausel gefordert wurde, räumte Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen in einem Interview mit dem MDR ein, dass ein Bekenntnis zur Demokratie kein Problem darstelle. Im Aufruf zum Aktionstag betonten die »Träger der Demokratiearbeit«, dass »sie kein Problem darin sehen, sich zum Grundgesetz zu bekennen«. Auch die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, hält ein solches Bekenntnis für »selbstverständlich«. Besorgt äußerte sie sich in einem Brief an die Abgeordneten des Bundestags darüber, dass die Klausel vielleicht nicht »radikaler Teilhabe vorzubeugen« vermag. Obwohl die Amadeu-Antonio-Stiftung zum Aktionstag aufrief, hat sie die vollständige Erklärung bereits unterzeichnet.
Damit ist die Stiftung wahrscheinlich Vorreiter in Sachen Pragmatismus. Die finanzielle Sicherheit wäre gewährleistet. Allerdings würden auf diese Art handelnde Organisationen einen wei­teren Teil ihrer Unabhängigkeit einbüßen. Die meisten betroffenen Vereine waren ohnehin nicht nur schon immer von staatlichen Zuwendungen abhängig, sondern wurden auch noch in der Folge des vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerufenen »Aufstands der Anständigen« gegründet. Seither arbeiteten diese Institutionen also auf Wunsch des Staates daran, den Nazis die Betätigung am »Rand der Gesellschaft« zu erschweren und die »bürgerliche Mitte« mit Übungen in Toleranz, Demokratie und Zivilcourage sauber zu halten.
Die Bundesprogramme gegen Rechts wurden stets im Jargon der Extremismustheorie formuliert. Die derzeitige Regierung hat ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf das »undemokratische« Treiben von »Linksextremisten« gerichtet und den Initiativen gegen Rechts mehr Wachsamkeit in den eigenen Reihen verordnet. Dennoch haben diese erst jetzt und nicht etwa schon bei der Ankündigung der Bundesregierung, zukünftig »gleichermaßen gegen rechts und links« vorzugehen, öffentlich Einspruch erhoben. Noch dazu beschweren sie sich mehrheitlich nicht über die »unpassenden Gleichsetzungen von Rechts- und Linksextremismus«, das blieb am Aktionstag ausgerechnet dem Weltanschauungsbeauftragten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Sachsen, Harald Lamprecht, überlassen.

Mittlerweile hat das Bundesland Berlin beim Bund Widerspruch gegen »die Kopplung der Demokratieerklärung an die Förderung der Träger« eingelegt. »Vereine und Projekte stehen jetzt vor der existenziellen Entscheidung, eine zweifelhafte Erklärung zu unterschreiben und Aufgaben des Verfassungsschutzes zu übernehmen oder ihre Arbeit reduzieren oder gar einstellen zu müssen«, sagte die Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linkspartei) Ende Januar zur Begründung des Widerspruchs. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen haben einen Antrag gestellt, das Unterzeichnen der »Demokratieerklärung« als Voraussetzung für einen Zuschuss aus den Richtlinien des Bundesprogramms »Toleranz fördern – Kompetenz stärken« zu streichen; dieser Tage soll über den Antrag verhandelt werden. Die Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe (SPD) verwies zudem auf das weit verbreitete Problem, dass, wer gegen Nazis sei, auch gleich als links oder gar linksextremistisch gelte. Auch Kati Lang von der Opferberatung RAA Sachsen verweist auf eine »ominöse Angst vor Links«.
Dass es personelle Überschneidungen und einen Informationsaustausch zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Antifa-Gruppen gibt, ist selbstverständlich nicht zu bestreiten. Stephan Kees kann das bestätigen. Er ist Mitarbeiter von »Chronik.LE«, einer Dokumentationsstelle für faschistische, rassistische und diskriminierende Vorkommnisse in und um Leipzig. Diese gibt ihre Informationen an andere zivilgesellschaftliche Institutionen wie das Netzwerk für Demokratie und Courage oder die Opferberatung RAA Sachsen weiter. Dabei geht es zum Beispiel um Erkenntnisse über einzelne Nazis. Erkenntnisse, die bei Gerichtsverhandlungen sehr nützlich sein können, um beispielsweise nachzuweisen, dass es sich bei bestimmten Angriffen um politisch motivierte Taten handelte. »Selbstverständlich gibt es bei der Recherche eine enge Zusammenarbeit mit Antifas«, sagt Kees. Diese Erfahrung habe er auch während seiner Tätigkeit in vergleichbaren Einrichtungen in Berlin gemacht.

Diese Zusammenarbeit wird durch die »Demokratieerklärung« erschwert oder sogar vollständig unterbunden. Dass bei weitem nicht alle zivilgesellschaftlichen Organisationen ihre Verbindungen zu Antifa-Gruppen als derart selbstverständlich, vorteilhaft und deshalb verteidigenswert ansehen, hilft den Behörden: Diese können zukünftig besser zwischen »demokratisch legitimem« Engagement gegen Rechts und der oft als »linksextrem« eingestuften Arbeit von Antifa-Gruppen unterscheiden.