Das Ende der Totalverweigerung

Verweigert total!

Mit dem Ende der Wehrpflicht ist auch die Möglichkeit der Totalverweigerung Geschichte. Leider.

Totalverweigerer galten als die wahren Helden der radikalpazifistischen Szene, denn der normale Kriegsdienstverweiger, der schlicht verweigerte und brav den Wehrersatzdienst antrat, hatte es damit spätestens seit den neunziger Jahren recht bequem. Der Totalverweigerer dagegen, der nahm den Kampf gegen den deutschen Staat auf: Lieber in den Knast, als sich Befehlen zu unterwerfen! Während andere ihren »Zivi« machten, sich ausmustern ließen oder nach West-Berlin zogen, wo vor 1989 abseits der Wehrpflicht ein spaßiges Leben unter Gleichgesinnten lockte, saßen die Totalverweigerer in der Provinz im Bundeswehrarrest: unbeugsam, märtyrergleich.
Die Argumentation der Totalverweigerer richtete sich gegen den Zwang, meist auch gegen den Krieg. Denn auch wer Zivildienst leistete, kam der Wehrpflicht nach und stand in einem militärischen Dienstverhältnis. Also galt es, heldenhaft drakonische Strafen zu riskieren – zumindest auf dem Papier: Wer Befehle verweigert, wird nach dem Gesetz mit drei Jahren Haft bestraft, wer Fahnenflucht begeht, dem drohen gar fünf.
In der Praxis waren die Strafen in den letzten Jahren der Wehrpflicht deutlich milder: Wer in der Kaserne alle Befehle verweigerte, handelte sich Schikanen ein und konnte wochenlang in der Einzelzelle des Bundeswehrarrests landen, bei den anschließenden Zivilprozessen wurden aber immer seltener Haftstrafen verhängt. Statt die Totalverweigerer zu Märtyrern zu machen, beließen es die Gerichte bei Verwarnungen und taten die Angeklagten als verirrte Spinner ab. Einem Totalverweigerer soll die Bundeswehr 2008 sogar einen gefälschten Verweigerungsantrag zugeschummelt haben, um ihn loszuwerden.
Harte Abschreckung potentieller Totalverweigerer hatte der Staat in den vergangenen Jahren auch kaum nötig. Die Linken hatten den »Zivi«-Zwangsdienst schätzen gelernt, bei dem es angesichts zunehmender Arbeitslosigkeit bald kuscheliger zuging als auf dem freien Arbeitsmarkt, und man konnte sich hinterher sozialer Tugenden brüsten. Die Totalverweigerer waren deshalb ein einsamer Haufen, was eigentlich verwunderlich und auch sehr bedauerlich ist.
Denn wer, wie die meisten männlichen Wesen, unter Androhung von Strafe um sechs Uhr morgens beim Kreiswehrersatzamt erscheinen musste, um einer menschenverachtend dreinblickenden Ärztin seine Hoden zur Kontrolle vorzulegen, damit geprüft werde, ob er auch zum Kanonenfutter tauge, sollte ja, sofern er halbwegs bei Verstand ist, kapiert haben, was für eine Zumutung allein die Existenz dieses Staats ist. Und konsequenterweise: sich total verweigern. Schade eigentlich, dass das mit dem Ende der Wehrpflicht noch schwerer geworden ist.