Was kümmert mich der Dax

Von Merkel lernen, heißt warten lernen

»Der Wandel müsse nun beginnen, doch sei Erich Honecker unentbehrlich für den Übergangsprozess, sagte der US-Sondergesandte. Die westlichen Regierungen begrüßten die Ernennung Erich Mielkes zum Vizegeneralsekretär der SED. Mielke wird nun Gespräche mit der Opposition aufnehmen. Bundeskanzler Helmut Kohl mahnte: ›Wir haben erlebt, dass der einfache Export dessen, was wir Westminster Democracy nennen, in alle Regionen dieser Welt nicht klappen wird.‹ Vor einer Einmischung in die Regierungsbildung warnte Außenminister Hans-Dietrich Genscher, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass der Wandel ›eine Angelegenheit des Westens oder des Auslandes‹ sei.«
Nein, so sahen die Meldungen im Herbst 1989 nicht aus. Den von der stalinistischen Bürokratie eingeleiteten Übergangsprozess, der in den meisten Ländern eher der Zusammenbruch eines Herrschaftssystems als eine Revolution war, mit der arabischen Revolte zu vergleichen, ist waghalsig. Wer es dennoch nicht lassen kann, sollte eigentlich zu dem Schluss kommen, dass eine vorbehaltlose Unterstützung der Demokratiebewegung angebracht wäre. Allen Ägyptern ein Begrüßungsgeld für die Ankunft in der Demokratie zu zahlen, wenn sie Mubarak gestürzt haben, wäre übrigens auch eine nette Geste und eine kleine Entschädigung für die langjährige Unterstützung des Regimes. Allerdings geht es den Ägyptern nicht in erster Linie um Geld. Damals in der DDR scheint das anders gewesen zu sein. »Wir haben damals nach dem Mauerfall keinen Tag warten wollen«, erzählte Angela Merkel auf der Sicherheitskonferenz in München. »Eigentlich wollte man die D-Mark sofort haben.« Es hätte doch wohl heißen müssen: »Eigentlich wollte man die Demokratie sofort haben.« Aber die ehemalige FDJ-Kultursekretärin wird schon noch wissen, was sie sich damals am sehnlichsten wünschte. Eine Übergangsregierung wurde in der DDR etwas mehr als vier Monate nach dem Mauerfall gewählt, von »übereilten Neuwahlen« sprach damals niemand. Anders sieht es bei den Arabern aus. Merkel warnte in München vor dem Export der »Westminster Democracy«, man müsse sich darüber klar werden, »was wir von unserem Modell an anderen Plätzen erwarten und was sozusagen eigene Kulturen und eigene Entwicklungen sind, in die wir nicht eingreifen dürfen und auch nicht eingreifen können«. Schließlich hat der Westen mehr zu bieten als Demokratie: »Die großen technischen Erfindungen, die unser Leben so verändert haben – zum Beispiel der Computer und das Internet –, kommen alle aus freiheitlich bestimmten Gesellschaften«, wie auch Tränengas und der Wasserwerfer. Doch auch stalinistischer Erfindergeist spielt noch eine Rolle in der ägyptischen Revolte. Die Panzer auf dem Tahrir-Platz sind sowjetische T-62.