Die Reaktionen auf die Ermordung eines italienischen Aktivisten im Gaza-Streifen

Israel ist schuld

Ein italienischer Aktivist wurde im Gaza-Streifen von einer Salafisten-Gruppe ermordet. Die gewohnten Reaktionen aus den Reihen der internationalen »Palästina-Solidarität« ließen nicht lange auf sich warten.

Vittorio Arrigoni hat Israel gehasst. Noch vor wenigen Tagen schrieb er in seinem Blog »Guerilla Radio«: »Ekelhaft ist ein Synonym für zionistisch.« Er postete antisemitische Karikaturen und denunzierte palästinensische Politiker der Fatah als »philoamerikanische« Verräter. Seine Hasstiraden unterzeichnete er stets mit dem Aufruf: »Menschlich bleiben!« Als menschlich galten ihm ägyptische Politiker, die Israel mit Krieg drohen, oder Anhänger des radikalislamischen Milizenführers Muqtada al-Sadr, die im Irak »Yankees« jagen.
Arrigoni gehörte der italienischen Sektion des International Solidarity Movement an, das vehement für einen Boykott und Sanktionen gegen Israel eintritt. Während der israelischen Militäroperation »Gegossenes Blei« im Winter 2008/2009 schrieb er Reportagen für die linke Tageszeitung Il Manifesto und lebte seither im Gaza-Streifen, um weiterhin aus dem vermeintlichen »größten Konzentrationslager unter freiem Himmel« zu berichten.
Vorige Woche wurde Arrigoni in Gaza City von einer Salafisten-Gruppe entführt und ermordet. Die Gruppe »Monotheismus und Heiliger Krieg« beschuldigte ihn, »westliche Laster« zu verbreiten. In einem Video auf Youtube wurde er gefesselt, verprügelt und mit verbundenen Augen vorgeführt. Seine Entführer forderten von der Hamas die Freilassung zweier Anführer des palästinensischen Salafismus. Seit der Machtübernahme der Hamas im Gaza-Streifen 2007 führen die ­Jihadisten einen erbitterten Kampf gegen den vermeintlich gemäßigten Flügel der Regierung und bekämpfen alle Versuche der nationalen Aussöhnung der Hamas mit der Fatah sowie jede Waffenstillstandsvereinbarung mit Israel. Dass Arrigoni nur wenige Stunden nach Bekanntgabe des Ultimatums erdrosselt aufgefunden wurde, nährt Spekulationen, man habe ihn von Anfang an ermorden wollen. Zwei der fünf gefassten mutmaßlichen Täter seien mittlerweile als Sicherheitsbeamte des militanten Hamas-Flügels enttarnt worden, berichten italienische Medien. Regierungschef Ismail Haniya distanzierte sich von der Tat, er bezeichnete Arrigoni als einen Märtyrer. Als solcher gilt er auch der italienischen Palästina-Solidarität, die am Wochenende in zahlreichen Städten ihre Trauer auf die Straße trug. Der Gedanke, ihr »Held des Friedens« könne dem Bandenkrieg zwischen radikalen Islamisten zum Opfer gefallen sein, darf nicht zugelassen werden. »Wir haben keine Beweise«, schreibt etwa das Forum Palästina, »aber wir gehen davon aus, dass die Entführung und Ermordung von Vittorio die schmutzige Arbeit einer Gruppe ist, die zu einem mit Israel verbündeten saudi-ara­bischen Netzwerk gehört.« Da Arrigoni unter den Organisatoren der für Mai geplanten neuen »Freedom Flottilla« war, habe der israelische Geheimdienst ein Signal an die internationale »Palästina-Solidarität« senden wollen, sich von Gaza fernzuhalten. Auch in den Blogs zweifelt kaum jemand an der Verschwörung: Arrigoni sei zur Zielscheibe von »rechten amerikanisch-zionistischen Internetforen« geworden, die CIA und Israel werden »direkt oder indirekt« für seinen Tod verantwortlich gemacht. Nach einem von der Hamas ausgerichteten »Staatsbegräbnis« wurde der Leichnam Arrigonis auf ausdrücklichen Wunsch seiner Familie nicht über Israel, sondern über den Grenzübergang Rafah zwischen Gaza und Ägypten nach Italien zurückgeführt.