Desperate Mittelschicht

Etwas stimmt nicht in Bullet Park. Unter der blitzsauberen Oberfläche der possierlichen New Yorker Vorstadt herrscht eine fragwürdige Unordnung. Sie wohnt in den Köpfen der Menschen und in dem, was sie heimlich zu tun pflegen. Dem 1912 geborenen John Cheever dienen gepflegte Vorgärten und aufgeräumte Hausinnenräume als Allegorien für fassadenhafte Einstellungen jeder Art. Cheever hasste sie sehr, diese Sorte von Normalität.
Der absichtlich schematisch gehaltene Roman »Die Lichter von Bullet Park« erschien erstmals 1969, in der Blütezeit prosperierenden Mittelschichtbürgertums, von der auch die HBO-Serie »Mad Men« erzählt, für die Cheevers Buch inspirierendes Anschauungsmaterial gewesen sein soll.
Zwar kann eine Stadt im emphatischen Sinne keine Protagonistin sein, doch weil Cheever mit seinem böse funkelnden, subtil ironischen Roman etwas in der Art erreichen wollte, gerieten dem Autor die Leben der gottesfürchtigen, alkoholkranken, depressiven, sexgeilen Figuren mitunter ein wenig zu beispielhaft. Pappkameraden sind es deshalb aber keine. Und der psychologisch geschulte Blick, den der ungemein stilsichere Autor auf diese womöglich tatsächlich schrecklich bedauernswerte Welt wirft, ist derart detailgesättigt und erbarmungslos sezierend, dass es kaum stört, dass es einen roten Handlungsfaden im typisch romanhaften Sinne nicht gibt.

John Cheever: Die Lichter von Bullet Park, Dumont, Köln 2011, 254 Seiten, 19,99 Euro