Umweltproteste in der Industrieregion Zasavje

Im Tal der Atemlosen

In der slowenischen Industrieregion ­Zasavje wehren sich Bewohner gegen die allgegenwärtige Umweltverschmutzung.

Hinter den Karawanken liegt ein Meer aus Grün. Saftig grüne Wälder und Wiesen kleiden die Gebirge und Ebenen, durchzogen von glitzernden Flüssen und Seen. Eine Idylle, für die Natursportler, Wanderfreunde und Öko-Touristen gerne Geld locker machen. Das kleine Land, das vielen als »grüne Lunge« Europas gilt, hat seine Naturlandschaften zum Markenzeichen gemacht. »Slovenia Green« heißt die Werbekampagne, mit der das Transitland für Kroatienurlauber aus dem Schatten des strandverwöhnten Nachbarn treten möchte. In der zentralslowenischen Region Zasavje wird man davon gewiss nichts haben. Denn diese ist eines der Zentren der slowenischen Schwer­industrie und einer der am stärksten verschmutzten Teile des Landes – mit hohen Krebsraten und einer niedrigeren Lebenserwartung.

Vorläufig können die Bewohner aufatmen. Denn vor einem halben Jahr wurde der Zementfabrik in Trbovlje – mit 18 000 Einwohnern die größte Stadt der Region – bis auf weiteres untersagt, die hauseigene Müllverbrennungsanlage zu nutzen. Relativ ungetrübt ist nun der Blick auf jene Industriekultur, unter deren Eindruck die Band Laibach ihren Kunststil entwickelte. Und schwer vorstellbar, wie dichte Rauchschwaden die Region im Würgegriff gehalten haben sollen. Dabei trägt die Zementfabrik nicht allein dazu bei, die Gegend in einen Grauschleier zu hüllen. Vor allem die Glasfabrik in Hrastnik und die Betonfabrik in Zagorje ergänzen den industriellen Niederschlag aus Trbovlje.
Irrsinniger hätte man Industrie kaum platzieren können. Denn die drei Gemeinden liegen jeweils in Tälern, die parallel zueinander verlaufen und durch einen Gebirgsfluss quer verbunden sind. Zusammen mit der häufigen Inversionswetterlage führt dies dazu, dass sich die Abgase in den Tälern festsetzen, »wo sie ihre Runden drehen und sich zu einem besonders schädlichen Gemisch verbinden«, wie es Uroš Macerl von der Umweltorganisation Ekokrog ausdrückt. Sinnbildlich für die Situation mag das kuriose Wahrzeichen von Trbovjle sein: Der Schornstein des lokalen Kohlekraftwerks ist mit 360 Metern der höchste Schlot Europas und dient nicht etwa als Symbol für industrielle Potenz, sondern soll den Kraftwerks­smog über das Tal hinaus blasen.
Dessen ungeachtet hat vor allem der Zementbetrieb in Trbovjle, der 2002 vom französischen Konzernriesen Lafarge übernommen wurde, einen schlechten Ruf. Bereits 2005 hatte dieser die Genehmigung erhalten, eine Verbrennungsanlage zu betreiben, die auch zur Energiegewinnung dienen soll. Letztlich wurde Lafarge gestattet, bis zu 100 Tonnen Müll am Tag zu verbrennen – eine Menge, die in der Fabrik nicht annähernd anfällt. Tatsächlich wurde schon bald Müll aus ganz Slowenien in die Anlage befördert. »Lafarge spart nicht nur die Kosten für die Entsorgung, sondern profitiert von dem Müll anderer Unternehmen«, erklärt Tadej Sapač von der anarchistischen Gruppe Osa in Zasavje, die sich an den Protesten gegen Lafarge beteiligt hatte.

Der einstweilige Stopp der Müllverbrennung ist das Resultat einer langen Kampagne von Ekokrog, der sich auch Bürgerinitiativen und linke Gruppen angeschlossen hatten. Die lokale Umweltorganisation, deren Vorsitzender der Jungbauer Macerl ist, wurde 2006 gegründet, um die Verschmutzung durch Lafarge zu stoppen. Ekokrog betonte dabei, dass nicht nur die Menge des verbrannten Mülls ein Problem darstelle, sondern auch die Art des Mülls, der euphemistisch als »alternativer« Brennstoff bezeichnet wird – darunter tonnenweise Autoreifen. Zudem verfeuerte Lafarge in der Anlage auch Benzol, von dem ein besonders hohes Krebsrisiko ausgeht.
Bis heute ist der Kampf der Umweltorganisation, die nach eigenen Angaben 200 zahlende Mitglieder hat, zu einem wichtigen Bezugspunkt für die slowenische Linke geworden. Erst im Mai führte die anarchistische Föderation in Slowenien (FAO) ihre Buchmesse in der alten Bergbaustadt durch, die früher als Zentrum der Arbeiterbewegung galt. Der Kampf gegen Lafarge weckt Erinnerungen an die bewegte Geschichte des »Roten Bezirks«, an die man gerne anknüpfen möchte. »Trbovlje kommt auch heute nicht zur Ruhe«, heißt es in der Einladung. Und weiter: »Wo finden wir eine stärkere Inspiration für unsere Arbeit als in Trbovlje?«.
Nicht nur aufgrund der Geschichte der Stadt hat der Kampf Beachtung gefunden, auch wegen seiner Konstanz. Solche Konflikte sind eine zähe Angelegenheit. Es muss viel untersucht werden, mit ermüdenden mathematischen Berechnungen und komplizierten Gutachten. Das lief hier nicht anders. Ekokrog hatte vielfältige Beweise gesammelt, um die besondere toxische Belastung durch Lafarge zu belegen. Der Konzern reagierte mit Gegengutachten. »So viel gebracht hat der Papierkrieg zunächst nicht«, erläutert Macerl, der als Ankläger in diversen Prozessen auftrat. Er verweist auf juristische Niederlagen, in deren Kontext seine Organisation offen von »Korruption« spricht. Seines Erachtens wurde dabei vielfach gegen geltendes Recht verstoßen.

Indessen wurde der Protest ausgeweitet. Man organisierte Kundgebungen und Aktionen, blockierte letztlich gar den Korso von Premierminister Borut Pahor, der die Stadt besuchte. Der dabei zugesagte Dialog fand jedoch niemals statt, so dass die Aktivisten den Protest in die Hauptstadt trugen. Im vergangenen Oktober demonstrierten schließlich 3 000 Menschen in Ljubljana gegen die Regierungspolitik in dieser Frage.
Lafarge blieb nicht untätig. Neben einem regelrechten Graffiti-Krieg, in dem der Konzern jede Anti-Lafarge-Parole überpinseln ließ und der die Wände der Stadt bis heute kennzeichnet, entwickelte sich ein Kampf um die mediale Meinungshoheit, in dem nicht mit diskreditierenden Darstellungen etwa des Ekokrog-Vorsitzenden gegeizt wurde. Zudem versuchte sich der Konzern im green washing. Man ließ neue Bäume in der Region pflanzen, brachte sich als Sponsor bei lokalen Sportteams ein und ließ Kinderspielplätze bauen. »Einer dieser Spielplätze steht vor dem Krankenhaus, in dem Kinder wegen Vergiftungen behandelt werden«, berichtet Sapač, der dieses Vorgehen als »pervers« bezeichnet. Dennoch gelang es Lafarge nicht, die Bevölkerung zu spalten.
Die Beharrlichkeit der Umweltaktivisten sollte sich auszahlen. Im Februar urteilte das slowenische Verwaltungsgericht, dass die Genehmigung für die Verbrennung zu entziehen sei. Dies konnte die Regierung nicht mehr ignorieren, deren Umweltinspektorin persönlich den Stopp verfügte, nachdem sich Lafarge noch dem Beschluss zu widersetzen versucht hatte. Der weitere Verlauf ist noch ungewiss. Umweltminister Roko Zarnic hat bereits erklärt, dass die politischen Konsequenzen »unabsehbar« seien. Schließlich wird allgemein spekuliert, dass die Freiheiten, die Lafarge gewährt worden waren, eine Gegenleistung dafür sein könnten, dass Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach einer Intervention des slowenischen Premierministers die geplante Schließung des Renault-Werks in Slowenien unterbunden hatte. Für Lafarge ist die jetzige Situation zumindest eine kleine Katastrophe. Denn die Übernahme des Werks in Trbovlje war ein Teil einer Expansionsstrategie, mit der man sich im »Zementkrieg« zwischen den Unternehmen der Branche einen Vorteil mit großzügigen Standortbedingungen verschaffen wollte. Dass man sich dieses Vorteils beraubt sehe, wenn man nicht weiter die »alternativen« Brennstoffe verwenden kann, hatte Lafarge bereits vor dem Urteil verkündet.