Die Roma-Minderheit in Slowenien

Und immer wieder Trianon

Die Region Prekmurje gilt als positives Beispiel für die slowenische Minderheitenpolitik. Hier leben selbstbewusste Roma neben rückwärtsgewandten Ungarn.

Slowenien ist klein. Gerade einmal 250 Kilometer misst die breiteste Ausdehnung des Landes. Eine Fahrt in seinen nordöstlichen Zipfel mutet dennoch an wie eine Reise ans Ende der Welt. Eine neugebaute Autobahn zieht sich durch die fast schon steppenhafte Ödnis. Die gelegentlich auftauchenden Kraftwagen rechtfertigen es nicht, von Verkehr zu sprechen. Und dennoch ist die wirtschaftlich rückständige Prekmurje, die hinter dem Fluss Mur beginnt, eine reizvolle Region. Noch vor 70 Jahren wohnten hier Slowenen, Ungarn, Roma, Juden und Deutsche, bevor der Zweite Weltkrieg das Zusammenleben beendete.

Inmitten von Murska Sobota, dem Hauptstädtchen der Prekmurje, findet sich in einem modernen Bau die wichtigste Einrichtung der Roma-Gemeinde. Sie betreibt hier nicht nur einen Radiosender und gibt eine Zeitung heraus, hier befinden sich auch das Büro der lokalen Roma-Union und die Zentrale ihres Bundesverbands, von deren 23 Mitgliedsvereinen zehn aus der Prekmurje kommen. Außerdem betreibt die Gemeinde ein eigenes Museum und stellt seit über 15 Jahren eine eigene Vertretung in der Kommunalbehörde.
Der soziale Status der Roma ist vergleichsweise gut. »Die Jugendlichen machen hier fast alle ihren Schulabschluss«, sagt Janja Roser von der Union. Viele Roma seien immerhin erwerbstätig, wenn auch häufig nur als Saisonarbeiter. Außerdem seien viele Roma-Siedlungen in der Region mittlerweile legalisiert worden und würden mit Wasser und Elektrizität versorgt. Besonders stolz ist man auf die autonome Roma-Siedlung Puščca, die gerade ihr hundertjähriges Bestehen feiert. Die 750-Seelen-Gemeinde verfügt nicht nur über eine eigene Feuerwehr und einen Fußballverein, hier wurde vor knapp 50 Jahren auch der erste Roma-Kindergarten gegründet. »Heute besuchen ihn auch slowenische Kinder«, erzählt Roser strahlend.
In der südslowenischen Region Dolensjka, wo die zweitgrößte Roma-Gemeinde des Landes beheimatet ist, ist die Situation dagegen wesentlich schlechter. Viele Siedlungen sind immer noch illegal und von Wasser und Strom abgeschnitten. Nur jeder zehnte Rom macht einen Schulabschluss, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 80 Prozent. Bei der Union in Murska Sobota, die vor 20 Jahren als erste Roma-Organisation gegründet wurde, ist man sich der Vorreiterrolle bewusst. »Wir sind hier den anderen gefühlte 50 Jahre voraus«, sagt Roser. Warum das so sei, darüber werde viel diskutiert. »Aber ganz sicher hat dies mit der interkulturellen Tradition der Region zu tun. Wir werden hier weniger ausgegrenzt, so können sich Dinge auch entwickeln.«
Aleš Horrvat vom benachbarten Radiosender Romic genügt das nicht. »Viele Roma lassen sich zu Opfern machen«, erklärt er kämpferisch, »sie organisieren sich kaum und sind zerstritten.« Dennoch sei die Situation in Slowenien, wo schätzungsweise 10 000 Roma leben, generell nicht so schlimm wie vielerorts in Europa, darin sind sich beide einig. Seit den Übergriffen vor fünf Jahren gegen eine Roma-Familie in der Dolensjka sei viel unternommen worden. In Lendava jedoch sollen vor einem Monat Hetzparolen an ein von Roma bewohntes Haus gesprüht worden sein.
Lendava ist das Zentrum der ungarischen Minderheit in Slowenien. Die etwa 6 500 ungarischen Slowenen haben, wie die italienischen Slowenen, den Status einer »autochthonen« Minderheit und verfügen über einen eigenen Sitz im slowenischen Parlament. In Lendava haben sie eine Art Selbstverwaltung eingerichtet, die über zahlreiche Autonomierechte verfügt und sich um die Belange der ungarischen Minderheit kümmert. Dennoch ist ihr Vorsitzender, Horváth Ferenc, nicht ganz zufrieden. Manche Gesetze würden nicht vollständig umgesetzt. So sei etwa nicht alles, wie vorgesehen, zweisprachig ausgeschildert. Es gebe noch andere Probleme, konkreter will Ferenc aber nicht werden. Stattdessen beklagt er, dass bei der jungen Generation das Bewusstsein für die ungarische Tradition zurückgegangen sei. Dass viele von ihnen aufgrund der regionalen Wirtschaftslage wegziehen, erschwere es zusätzlich, diese Tradition am Leben zu erhalten.
Zuletzt habe die Institution verstärkt die Zusammenarbeit mit den ungarischen Grenzregionen gesucht, sagt Ferenc. Auch mit ungarischen Minderheiten in anderen Ländern stehe man in Kontakt. Spätestens an dieser Stelle ist Skepsis angemessen. Immerhin betreibt die ungarische Regierung derzeit eine aggressive Politik im Bezug auf die »Auslandsungarn«, die seit diesem Jahr die ungarische Staatsbürgerschaft beantragen können. Beobachter werten dies als Versuch, groß­ungarische Ambitionen voranzutreiben. Ob man sich in Lendava lieber wieder Ungarn anschließen möchte, mag Ferenc nicht so recht beantworten. Das sei derzeit doch »nicht machbar«, druckst er ein wenig herum. Die Dekoration im Haus erweckt zumindest einen anderen Eindruck. Überall ist die fischförmige Silhouette eines imaginierten Großungarn zu sehen, und demonstrativ steht auf einem entsprechenden Aufkleber: »Justice for Hungary« – eine bei ungarischen Nationalisten beliebte Parole, die auf den Vertrag von Trianon anspielt, mit dem Ungarn 1920 große Gebiete, darunter die Prekmurje, verlor. Schon lange ist das revisionistische Gedankengut in der Mitte der ungarischen Gesellschaft angekommen. Das bekommt man auch in Lendava zu spüren.
Ferenc ist vorsichtig. Die Journalisten suchten häufig Skandale und verdrehten einem die Worte im Mund, sagt er, ihm aber gehe es nur um Tradition und Kultur. Ob die Skepsis angesichts der revisionistischen Entwicklung in Ungarn nicht verständlich sei? Auch dieser Frage weicht er aus. »Im Krieg passieren immer schlimme Dinge auf beiden Seiten«, sagt er. Nach 90 Jahren müsse man das etwas gelassener sehen. Dass Ungarn noch vor 70 Jahren gemeinsam mit Hitler und Mussolini über Slowenien hergefallen ist, scheint er nicht zu bedenken. Es ist Zeit zu gehen. Im Ort finden sich noch Relikte jüdischen Lebens, das es hier einst gab und das im Zuge jenes Überfalls ausgelöscht wurde. Und im Autoradio läuft Roma-Musik, die eine Weltoffenheit ausstrahlt, die man hier vermisst.