Von Wowi lernen

Börsianer haben günstige Arbeitszeiten, zumindest in Ljubl­jana. Gehandelt wird ab 9.30 Uhr, und wenn um 13 Uhr schon wieder Schluss gemacht wird, ist es gerade die richtige Zeit für das Mittagessen. Viel ist hier ohnehin nicht los, denn die Ljubljanska borza arbeitet seit dem vergangenen Jahr mit dem elektronischen Handelssystem Xetra, das die brüllenden Männer auf dem Parkett überflüssig macht. Mittlerweile dürfte manche Anleger allerdings die Sorge plagen, die ganze Börse könne überflüssig werden. »Im laufenden Jahr hat der Aktienindex Sbitop die lokalen Tiefs aus den beiden Vorperioden noch einmal deutlich unterboten«, stellt der World Investment Guide fest. »Anleger sollten um den Aktienindex Sbitop vorerst einen weiten Bogen machen.« Dieser Index, in den nur blue chip-Firmen mit hohem Umsatz aufgenommen werden, bei denen keine Pleite zu erwarten ist, verzeichnet die Aktien von gerade einmal sechs Unternehmen. Die Euro-Krise erfasst nun auch Slowenien (siehe Seite 3). Wie es in solchen Fällen üblich ist, urteilt der World Investment Guide: »Slowenien hat lange Zeit über seine Verhältnisse gelebt.« Diesen Satz werden Sie in den kommenden Monaten häufiger lesen können. Was aber wären aus der Sicht eines Analysten die korrekten Lebensverhältnisse?
Noch vor kurzem haben dieselben Analysten Slowenien bescheinigt, alles richtig zu machen. Die Börse in Ljubl­jana wurde bereits zwei Jahre vor der Unabhängigkeit gegründet, später wurde privatisiert und rationalisiert. Kühlschränke von Gorenje, einer ursprünglich jugoslawischen Firma, konnte man bereits in den achtziger Jahren im Westen kaufen. Gorenje beschäftigte damals 20 000 Menschen. Das Hauptquartier befindet sich im slowenischen Velenje, die Firma verkauft erfolgreich Haushaltsgeräte und expandierte sogar, allerdings arbeiten dort nur noch etwa 11 000 Menschen. Im Vergleich zu anderen osteuropäischen Staaten blieben jedoch relativ viele Industriearbeitsplätze erhalten. Es gibt noch zahlreiche landwirtschaftliche Kleinbetriebe, doch die Bauernhäuser sind ebenso schmuck wie im benachbarten Österreich. Der Tourismus floriert von der Adria bis zu den Alpen. Der Durchschnittslohn beträgt knapp über 1 000 Euro pro Monat, die slowenische Armutsrate ist mit 12,7 Prozent etwas niedriger als in Deutschland.
Wenn die Slowenen auf die neuen Ratschläge der Analysten hören, dürfte es mit dem relativen Wohlstand schnell vorbei sein. Vor allem die stark auf den Binnenmarkt ausgerichtete Konsumgüterindustrie würde harte Sparmaßnahmen wohl nicht überleben. Klüger wäre es, wenn die Slowenen sich einen Wowi zulegen würden, einen Präsidenten, der klarstellt, dass die Party weitergeht, ob nun Geld da ist oder nicht. In Slowenien wäre der Job sogar leichter. Das Land hat kaum mehr als 22 Milliarden Euro Schulden, Wowi kann einen fast dreimal höheren Betrag nicht zurückzahlen.