Das Ende der US-Frauenfußballliga

Kein Geld, keine Zuschauer, keine Teams

Die US-Frauenfußballliga Women’s Professional Soccer (WPS) ist am Ende. Viele Nationalspielerinnen müssen nun schnell neue Mannschaften finden, um sich auf die Olympischen Spiele in London vorbereiten zu können.

Selbst Beobachter des Frauenfußballs, die eher vorsichtig mit Metaphern umgehen, dürften in den vergangenen Wochen mehr als einmal an platzende Bomben gedacht haben. Erst kündigte am 30. Januar die US-Profiliga WPS an, dass sie aus Mangel an Teams ihren Betrieb einstellen werde, dann machte am selben Tag die ehemalige WPS-Spielerin Ella Masar einige schockierende Details über das mutmaßliche Geschäftsgebaren von Dan Borislow öffentlich, dem Besitzer ihres früheren Clubs magicJack, und nun wechselte vergangene Woche auch noch die fünfmalige Weltfußballerin Marta Vieira da Silva aus den USA zum schwedischen Erstligisten Tyresö FF.
Dass da Silva zuvor ebenfalls bei magicJack unter Vertrag gestanden hat, passt perfekt ins Bild, denn das Team aus Florida ist der Ausgangspunkt des Skandals, der derzeit den Frauenfußball in den USA erschüttert. Gerade einmal eine einzige Saison hatte das Franchise existiert, bevor es im vergangenen Herbst von der Liga suspendiert wurde, weil sein Besitzer weder auf geschäftlicher noch auf sportlicher Ebene auch nur ansatzweise den Forderungen der Liga nachgekommen war. Unbezahlte Rechnungen waren dabei anscheinend noch das geringste Problem: Das Team, in dem immerhin etliche Weltstars spielten, hatte nicht einmal einen Trainer. Doch selbst das scheint noch ein vernachlässigenswerter Punkt gewesen zu sein, wenn man Ella Masar glauben darf, die mittlerweile von magicJack zu Paris Saint-Germain geflüchtet ist. In einem langen Eintrag auf ihrem privaten Blog erhebt sie nebulöse Anschuldigungen gegen den Besitzer des Teams, in denen sie andeutet, dass dieser die Grenze zwischen Beruf und Privatsphäre gegenüber seinen Spielerinnen nicht gewahrt habe: »Dan sagte, er würde mich zum Krankenhaus fahren, aber dort kamen wir nie an. Er nahm mich mit zu einem Essen mit seinen ›Jungs‹ und ich war die nächsten zwei Tage bei ihm.« Auch dass Borislow Masar zufolge darauf bestand, von den Spielerinnen »Daddy« genannt zu werden, scheint diese Vorwürfe zu bekräftigen.
All das konnte in der Ligaführung selbstverständlich niemand ahnen, als diese vor der Saison 2011 dem Plan Borislows zustimmte, Washington Freedom zu kaufen und nach Boca Raton in Florida umzusiedeln. Was sie aber hätten wissen können, ist, dass die verschlafene Stadt irgendwo zwischen Fort Lauderdale und West Palm Beach kein geeigneter Standort für ein Profiteam ist, was im Verlauf der Saison nicht zuletzt auch die kümmerlichen Zuschauerzahlen bestätigten. Sie hätte auch zumindest ahnen können, dass Borislow, der sein Geld mit einem Voice-over-IP-Unternehmen verdient, das ebenfalls MagicJack heißt, sich nicht wirklich der Verantwortung bewusst war, die der Kauf eines professionellen Sportteams mit sich bringt. Seine einzige Verbindung zum Fußball war bis dahin gewesen, dass er das Jugendteam seiner Tochter trainiert hatte.
Der Führung von WPS kann man also zumindest Fahrlässigkeit und eine Mitschuld am Ende der Liga vorwerfen. Andererseits stand diese schon damals kurz vor dem Ende. Zwar konnte das Ausscheiden des amtierenden Meisters FC Gold Pride aus Kalifornien und der Chicago Red Stars durch die Aufnahme von Western New York Flash noch wenigstens zur Hälfte kompensiert werden. Doch dann stand auch noch die Mannschaft von Washington Freedom vor dem wirtschaftlichen Aus, und eine schlechte Lösung schien vielleicht doch besser zu sein als gar keine. Immerhin hat die WPS so noch eine Saison länger überlebt. Nun jedoch scheint der Traum von der Frauenfußballliga endgültig vorbei zu sein.
Das Ende der Liga stellt dabei vor allem die Spielerinnen vor Probleme, unter ihnen auch zahlreiche Prominente und beinahe die gesamte US-Nationalmannschaft. Immerhin ist Fußballspielen der Job der Frauen. Außerdem stehen die Olympischen Spiele in London an und vor allem für die Vizeweltmeisterinnen aus den USA dürfte es schwierig werden, ausreichend Spielpraxis zu sammeln, wenn sie nicht schleunigst bei Mannschaften in anderen Ligen unterkommen. Nationaltorhüterin Hope Solo, ehedem ebenfalls bei magicJack unter Vertrag, hat bereits Konsequenzen gezogen und ist zusammen mit der neuen Nationalstürmerin Sydney Leroux zu den Seattle Sounders in die bisher zweitklassige W-League gewechselt. Dem Beispiel der beiden dürften wohl bald noch andere folgen, zumindest einen Teil der Spielerinnen dürfte es aber nach Europa ziehen.
Einen der allergrößten Stars hat es bereits nach Schweden verschlagen. Die Brasilianerin Marta Vieira da Silva wird künftig im Stockholmer Vorort Tyresö spielen, wo sie das schwedischen WM-Idol Josefine Öqvist ersetzen wird, das in den Schwangerschaftsurlaub geht. Dort wird sie neben zahlreichen anderen schwedischen Nationalspielerinnen auch auf die Spanierin Verónica Boquete treffen, eine andere WPS-Veteranin, die ihr Glück nun in Europa sucht. Tyresö dürfte damit zu den wahrscheinlichsten Anwärtern auf die nächste Meisterschaft gehören. Zugleich verstärkt die kollektive Wanderung von Weltklassespielerinnen in Richtung Schweden aber auch die Ausnahmestellung, die die dortige Liga innehat. Die Damallsvenskan und die deutsche Bundesliga sind die einzigen Ligen, die nach dem Ende der WPS berechtigerweise auf den Titel der stärksten Liga der Welt hoffen dürfen. Zwar gibt es mit Lyon und Rossiyanka auch in Frankreich und Russland mit Weltstars besetzte Spitzenteams, doch einen Ligabetrieb mit mehr als nur einem oder zwei Topteams und dazu auch noch einem gewissen Zuschauerzuspruch gibt es nur in Schweden und Deutschland.
In den Ligen beider Länder ließ sich in den vergangenen Jahren und verstärkt nach der WM im vergangenen Sommer ein Trend zu mehr Spielerinnen mit ausländischem Pass erkennen. Bei Turbine Potsdam etwa hat sich in dieser Saison ihre Zahl auf neun verdreifacht. Beim FFC Frankfurt sind fünf der sieben Legionärinnen Neuzugänge. Ähnlich sieht es bei Duisburg aus, und Wolfsburg, das mittlerweile zum Spitzen­trio aufgeschlossen hat, setzt bereits seit Jahren auf Spielerinnen von anderswo, da einheimische Spitzenspielerinnen bislang meist einen weiten Bogen um die Werkself gemacht haben.
In Schweden sind es neben Tyresö die Teams aus Malmö und Göteborg, die die Liga dominieren. Ähnlich wie in Deutschland ist auch hier das Leistungsgefälle groß, doch bei weitem nicht so gravierend wie etwa in Frankreich oder Russland, wo Lyon und Rossiyanka jeweils alleine an der Spitze stehen. Zusammengenommen stellen Bundesliga und Damallsvenskan auch die Hälfte der acht Teams im Viertelfinale der Champions League. Schon jetzt ist klar, dass auch im Halbfinale zumindest ein Team aus Deutschland oder Schweden stehen wird, denn Mitte März treffen Frankfurt und Malmö aufeinander. Für die Vorherrschaft im europäischen Frauenfußball dürfte jedoch weitaus wichtiger sein, welche Liga in den kommenden Wochen und Monaten stärker von den gerade erst begonnenen Abgängen der Spitzenspielerinnen aus der dahingeschiedenen WPS profitieren kann. Bislang sieht es für Schweden deutlich besser aus.