Fußball während des spanischen Bürgerkriegs

Kicken im freien Spanien

Während des Bürgerkriegs wurde Fußball auch dazu genutzt, für die Republik zu werben. Meisterschaften aus dieser Zeit werden jedoch bis heute nicht offiziell anerkannt.

Eine beliebte Behauptung lautet, dass Fußball und Sport überhaupt nichts mit Politik zu tun hätten. Dass das Quatsch oder sogar gefährlicher Unsinn ist, zeigt schon ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher. Kaum jemand bezweifelt heute noch ernsthaft die politische Bedeutung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin und in Garmisch-Partenkirchen für den Nationalsozialismus oder auch der Fußball-WM 1934 in Italien für den italienischen Faschismus. Die Rolle, die der Fußball im Spanischen Bürgerkrieg gespielt hat, ist hingegen weitgehend unbekannt, wenn auch nicht weniger spannend.
Wie in den meisten anderen Ländern Europas trieben in Spanien vor allem dort lebende Briten und einheimische Studenten, die in Großbritannien mit dem Sport in Berührung gekommen waren, den Fußball voran. So wurde Huelva Recreation Club, der erste Fußballverein in Spanien, 1889 von britischen Minenarbeitern in Andalusien gegründet. Ein Jahr später trug der Verein in Sevilla gegen das ebenfalls von Briten gegründete Team Colonia Ing­lesa Sevillana das erste offizielle Fußballspiel des Landes aus – allerdings waren daran mit ­einer einzigen Ausnahme auch nur britische Spieler beteiligt. Die einheimische Bevölkerung begeisterte sich jedoch schnell für die neue Sportart, überall im Land entstanden Vereine, erste lokale Wettbewerbe wurden ausgetragen. Eine wichtige Rolle spielte dabei wie zuvor in Großbritannien das Entstehen und Anwachsen des Industrieproletariats, das nach Freizeitbeschäftigungen suchte. Ein weiterer wichtiger Faktor war das in eben dieser Zeit stark expandierende Eisenbahnwesen, das einen geregelten Spielbetrieb mit Auswärtsspielen in weiter entfernten Städten überhaupt erst möglich machte.
Ähnlich wie in Deutschland professionalisierte sich der Fußball in Spanien bald, doch anders als in Deutschland wurde diese Tendenz dort nicht aus ideologischen Gründen unterdrückt. Bereits 1905 wurde mit der bis heute existierenden Copa del Rey der erste landesweite Wettbewerb eingeführt, und schon 1926, also beinahe 40 Jahre früher als in der BRD, begann die Ära des Profifußballs. Drei Jahre später entstand die ebenfalls bis heute bestehende landesweite Profiliga La Liga. Dabei ist der Begriff »landesweit« vielleicht ein wenig irreführend, denn ein Blick auf die Karte zeigt, dass in den ersten Jahren sämtliche der zunächst zehn Teams aus den drei Fußballhochburgen Madrid, Barcelona und dem Baskenland stammten. Nachdem 1931 die Zweite Republik ausgerufen worden war, änderte sich das jedoch und auch Teams aus Valencia, Sevilla und anderen Städten fanden ihren Weg in die Liga.
Der Aufstieg des spanischen Fußballs wurde jedoch jäh beendet, als es im Juli 1936 zum Militärputsch und in der Folge zum Bürgerkrieg kam. In der Liga war zu dem Zeitpunkt gerade Sommerpause, doch an eine Wiederaufnahme des landesweiten Spielbetriebs war vorerst nicht zu denken. Anders als Ricardo Zamora von Real Madrid, damals für viele der beste Torhüter der Welt, der für General Franco Partei ergriff und nach Frankreich zum OGC Nizza floh, scheint dabei die Mehrzahl der Spieler im noch freien Spanien der Republik zugeneigt gewesen zu sein. Zumindest für den FC Barcelona und den damals amtierenden Meister Athletic Bilbao ist belegt, dass sich mehrere Spieler der jeweiligen Ligamannschaft freiwillig zum Kampf gegen die Faschisten meldeten. Eine Mannschaft des FC Barcelona, dessen Präsident Josep Sunyol ein Jahr zuvor nahe Madrid von Falangisten ermordet worden war, ging darüber hinaus 1937 auf eine Rundreise durch die USA und Mexiko, um dort für die Sache der Republik zu werben. Die Reise war ein voller Erfolg, hatte jedoch auch den Nebeneffekt, dass das halbe Team es vorzog, auf der anderen Seite des Atlantiks politisches Asyl zu beantragen, statt in das umkämpfte Spanien zurückzu­kehren.
Auf ähnliche Reisen begab sich auch die ­eigens zu diesem Zweck gegründete baskische Nationalmannschaft, die bei zahlreichen Spielen in Skandinavien, der Tschechoslowakei und der UdSSR für Begeisterungsstürme sorgte – und fast jedes Spiel gewann. Als Bilbao jedoch nach langer Belagerung und deutschen Bombenangriffen den Faschisten in die Hände fiel, zog es das Team vor, über den Atlantik zu fliehen.
Im freien Teil Spaniens wurde derweil der Ligabetrieb in Teilen wieder aufgenommen. In Katalonien und der Levante gründete sich die aus acht Teams bestehende Liga Mediterránea, die es jedoch wegen des weiteren Kriegsverlaufs nur auf eine einzige Saison brachte, die im ersten Halbjahr 1937 ausgespielt wurde. Der einzigen Meistertitel ging an den FC Barcelona, der nach 14 Spieltagen nur einen einzigen Punkt vor seinem ewigen Lokalrivalen Español lag, der den Titel erst am allerletzten Spieltag durch eine Niederlage in Valencia verspielte. Der nationale Fußballverband RFEF ­erkennt diesen Titelgewinn jedoch bis heute nicht an, da er nicht Ausrichter der Liga gewesen ist. Entsprechende Vorstöße zur Anerkennung wurden 2007 und 2009 rigoros abgewehrt. Auch die Meisterschaft des FC Levante in der Copa de la España Libre aus demselben Jahr wird bis heute in offiziellen Listen nicht geführt – dabei war der Sieg Levantes damals eine mittlere sportliche Sensation. Überhaupt erst in das Turnier gerutscht, weil der FC Barcelona auf Amerika-Reise war, setzte sich das Team im Finale mit 1:0 gegen den Lokalrivalen Valencia FC durch.
Im darauf folgenden Jahr kam der Spielbetrieb in Spanien nahezu völlig zum Erliegen. Doch bereits knapp einen Monat nach dem Ende des Bürgerkriegs im April 1939 wurde von der RFEF zu Ehren des Diktators Franco die Copa del Generalísimo organisiert. Offenbar war auch den Faschisten die politische Bedeutung des Fußballs bewusst, was sich vor allem darin äußerte, dass an der Copa keine Teams aus den Gebieten teilnehmen durften, die lange Zeit Widerstand geleistet hatten. So fehlten bei diesem Turnier mit den Mannschaften aus Madrid, Barcelona und Valencia beinahe alle großen Namen, glanzloser Sieger wurde der FC Sevilla. Dafür aber wird dieser Titel im Gegensatz zu denen von Barcelona und Levante bis heute vom Verband anerkannt, was nicht eben für dessen politische Sensibilität spricht.
Ein deutliches Zeichen für den Nationalismus des neuen Regimes war auch die Umbenennung zahlreicher Vereine wie Sporting Gijón, FC Barcelona oder Athletic Bilbao, deren Namen den Machthabern nicht kastilisch genug waren. Passend dazu gingen die ersten beiden Meistertitel nach dem Ende des Bürgerkriegs mit Athletic Aviación de Madrid ausgerechnet an ein Team, das aus der Zwangsfusion des Traditionsvereins Athletic Madrid und des Luftwaffenclubs Aviación Nacional aus Saragossa entstanden war. Die Mannschaft hatte überhaupt erst in die Liga aufrücken können, weil Oviedo CF nicht teilnehmen konnte. Der Platz dieses Vereins war unbespielbar, weil er Francos Truppen im Krieg als Waffenlager gedient hatte.