Regierungskrise im Irak

Zusammen ist man weniger schwach

Die Regierung des Irak befindet sich in einer Krise. Kritisiert wird sie von allen Seiten.

Der Irak drohe, in die Zeit der Diktatur zurückzufallen, warnte jüngst der Präsident der autonomen Kurdenregion, Masud Barzani, in einem Interview mit der Zeitung al-Hayat. Seine Warnung galt dem autokratischen Regierungsstil des Ministerpräsidenten Nouri al-Maliki. Barzani schloss sich damit zahlreichen irakischen Politikern an, die Maliki in den vergangenen Wochen scharf kritisiert hatten.
Spätestens nach dem von vielen als verfrüht kritisierten Abzug der letzten US-amerikanischen Truppen befindet sich das Land in einer Regierungskrise. Während der Iran versucht, seinen Einfluss in der Region auszubauen, fürchten vor allem irakische Sunniten, weiter marginalisiert zu werden. Derweil intensiviert der irakische Teil von al-Qaida seine Terrorattacken. Die Mehrheit der Iraker hält die Regierung Umfragen zufolge für korrupt und unfähig.
Die Eskalation wurde durch die einseitige Entscheidung der kurdischen Regionalregierung ausgelöst, ihre Rohöllieferungen einzustellen. Zugleich versuchte Barzani, sich die Unterstützung der USA und vor allem der Türkei im Machtkampf mit der Zentralregierung zu verschaffen. Nachdem Barzani vor wenigen Tagen in der Türkei wie ein Staatschef empfangen worden war und Recep Tayyip Erdoğan ihn seiner Unterstützung versicherte, drohte Maliki, fortan werde man die Türkei als »feindlichen Staat« betrachten. Der regionale und konfessionalisierte Konflikt zwischen Saudi-Arabien und der Türkei auf der einen und dem Iran, Syrien und der Hizbollah auf der anderen Seite hat auch auf den Irak unübersehbare Auswirkungen. Während die Kurden und Sunniten sich mit der syrischen Opposition solidarisieren, unterstützen die meisten Schiiten das Regime Bashar al-Assads, für dessen Überleben die Transit- und Schmuggelrouten durch den Irak immer wichtiger werden.
Seit die türkische Regierung ihre Allianz mit dem syrischen Diktator aufgekündigt hat und zunehmend in offene Konfrontation mit den iranischen Machthabern gerät, nähert sie sich den irakischen Kurden an, die inzwischen zu ihren wichtigsten regionalen Alliierten gehören. Sie hofft auch auf irakisch-kurdisches Öl zu Vorzugspreisen, unter Umgehung der Zentralregierung.
Anders als die sunnitischen Oppositionsparteien kann Barzani zweigleisig fahren und drohen, dass die Kurden einen eigenen Staat im Norden ausrufen, sollte sich die Krise im Irak zuspitzen. Ausgerechnet die Partei des radikalen schiitischen Islamisten Muqtada al-Sadr kritisierte kürzlich ungewohnt scharf den Regierungsstil Malikis, distanzierte sich von der Regierung, der sie selbst angehört, und lobte Barzani. Damit wären theoretisch genügend Stimmen beisammen, um Maliki im Parlament das Vertrauen zu entziehen oder ihn durch einen anderen Ministerpräsidenten zu ersetzen.
Wie immer der Konflikt auch ausgehen mag, eines scheint inzwischen klar: Keine der politischen Fraktionen im Irak ist mehr stark genug, die Macht an sich zu reißen oder eine Gewaltherrschaft zu errichten. Sie alle sind gezwungen, Kompromisse und taktische Bündnisse einzugehen. Das immerhin kann in einer Region, in der in anderen Ländern konfessionelle Minderheiten brutal über die Mehrheit herrschen, durchaus als positive Entwicklung angesehen werden.