Militante Karriere

Ismail Haniya steigt auf. Der »Ministerpräsident« der Hamas-Regierung im Gaza-Streifen ist nun vermutlich auch Vorsitzender des dortigen Politbüros der Organisation und damit ihre höchste Autorität. Er sei kürzlich in geheimen Wahlen dazu bestimmt worden, berichtete Mitte vergangener Woche die israelische Tageszeitung Haaretz, die sich auf Informationen von offiziellen Hamas-Vertretern beruft. Die Hamas ließ umgehend dementieren, dass es sich um eine »offizielle Quelle« gehandelt habe. Doch sollte sich die Information bestätigen, wäre Haniyas Wahl das offene Eingeständnis der Hamas, dass in Gaza Regierungsgewalt und Hamas-Führung identisch sind. Bislang war Haniya international und insbesondere im Konkurrenzkampf mit der Fatah und der von ihr dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in der Westbank immer als Vertreter einer gewählten Regierung angetreten. Seine Position in der Ge­samt­organi­sation der Hamas, die sich aus den Sektionen »Gaza«, »Westbank« und »Ausland« zusammensetzt, wird nun gestärkt.
Das ist deshalb interessant, weil in den kommenden Wochen auch eine neue Gesamtführung gewählt werden soll. Haniya gilt als einer der Konkurrenten des derzeitigen Politbürovorsitzenden Khaled Meshal, der zuletzt der prominenteste Vertreter der sogenannten pragmatischen Linie war. Meshal hatte nicht nur die langjährige Allianz mit dem Regime in Syrien beendet, sondern auch ein Abkommen mit Mahmoud Abbas, dem Präsidenten der PA, unterzeichnet. Ersteres führte dazu, dass das iranische Regime die finanzielle Unterstützung beendete, letzteres zur Schwächung des Regimes in Gaza, mit dem die Bevölkerung seit längerem sehr unzufrieden ist. Des Weiteren legt die neue Zusammensetzung des Politbüros in Gaza nahe, dass Haniya und die dortige Hamas sich erneut radikalisieren. Keiner der sogenannten Reformer wurde gewählt, dafür zwei Anführer des bewaffneten Arms, darunter erneut Ahmad Jaabari, federführend bei der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Shalit und des Jahre später ausgehandelten Gefangenenaustauschs. Zwei dabei freigepresste Kader wurden nun ebenfalls direkt ins Politbüro gewählt. Entscheidend für die Wahl war die »erfolgreiche« Entführung Shalits, die das Prestige des bewaffneten Arms der Hamas erhöhte. Den Erwartungen der Bevölkerungsmehrheit in Gaza, die eine Lösung alltäglicher Probleme wünschen, kommt die Hamas so aber kaum entgegen.