Selbstbewusst rechts

Seit anderthalb Wochen herrscht bei der französischen Oppositionspartei UMP ein heilloses Chaos. Es ist das Ergebnis des Versuchs, erstmals durch demokratische Urabstimmung aller Mitglieder der konservativen Partei einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Zur Auswahl standen zwei Kandidaten: Jean-François Copé und François Fillon. Beide wollen eigenen Angaben zufolge jeweils 50 Prozent der Stimmen erhalten haben, doch Copé beansprucht einen Vorsprung von 94 Stimmen für sich – von 150 000 abgegebenen Stimmen, was der Hälfte der offiziellen Mitgliederzahl entspricht. Copé wurde von der Wahlkommission zunächst zum Sieger erklärt. Von beiden Seiten hagelt es seitdem Betrugsvorwürfe. Das Problem ist, dass sie wahrscheinlich in allen Fällen begründet sind. Seit Montag spitzt sich der Streit weiter zu, denn der unterlegene Fillon, der von 2007 bis Mai dieses Jahres Premierminister war, kündigte an, den Ausgang der Wahl gerichtlich anzufechten. Am Montagmittag tauchten auch schon die Gerichtsvollzieher auf und beschlagnahmten die Wahlunterlagen.
Grund für den Streit sind unter anderem unterschiedliche Strategien für die Zukunft der französischen Konservativen. Am Freitag vergangener Woche ließ eine Umfrage des Instituts BVA die zwei Lager erkennen: Eine Hälfte der Anhängerinnen und Anhänger der UMP ist demnach dafür, mit der neu gegründeten liberalen Mitte-Rechts-Partei UDI zu kooperieren, die andere Hälfte bevorzugt den rechtsextremen Front National. Copé, derzeit Bürgermeister von Meaux, steht für Inhalte, die die letztere Möglichkeit nahelegen. Im September griff er in den innerparteilichen Wahlkampf ein, indem er in seinem passend dazu erschienenen Buch »Manifeste pour une droite décomplexée« (Manifest für eine selbstbewusste Rechte) gegen »antiweißen Rassismus« wetterte. Er reihte bei seinen Reden Anekdoten aneinander, die die Bösartigkeit von Einwanderern illustrieren sollten. Sprichwörtlich in französischen Medien wurde seine Mär über Kinder, die sich ihm zufolge im Pausenhof »ihr Croissant klauen lassen müssen, weil Ramadan ist«. In satirischen Medien wurde diese Bemerkung inzwischen zum Gespött des Jahres. Copé rief auch zu den rechten Demonstrationen gegen die Homosexuellenehe mit auf, bei der mehrere Befürworter der Rechte für Homosexuelle verletzt wurden. Bleibt er im Amt, werden Rassisten und Krawallkonservative künftig wohl öfter auf den Straßen zu sehen sein.