Gedenken an die Schlacht von Stalingrad in Russland

Patriotisch gedenken

Vor 70 Jahren siegte die Rote Armee in der Schlacht von Stalingrad über die Wehrmacht. Der Sieg wird in Russland dieses Jahr besonders gefeiert, gedacht wird aber nicht allen russischen Opfern.

Am 2. Februar 1943 endete mit der Schlacht um Stalingrad eines der größten Gemetzel des Zweiten Weltkriegs. Eine halbe Million sowjetische Soldaten und Zehntausende Zivilisten verloren ihr Leben, 150 000 Wehrmachtssoldaten starben, 91 000 kamen in Kriegsgefangenschaft. Von der einst blühenden Stadt blieben nur wenige Gebäude erhalten. Der Sieg der Roten Armee über die deutschen Angreifer an den Ufern der Wolga vor 70 Jahren markierte den entscheidenden Wendepunkt im Kriegsgeschehen und leitete den ­sowjetischen Sieg über das NS-Regime ein.
Dieser Sieg wird Anfang Februar in Wolgograd mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen begangen. Etwa 1 000 ausländische Gäste sind geladen, darunter auch Repräsentanten aus den Ländern der damaligen NS-Verbündeten, als Hauptredner wird jedoch der russische Präsident Wladimir Putin erwartet. Auch Kriegsveteranen werden es sich nicht nehmen lassen, wie an jedem 2. Februar mit all ihren Auszeichnungen an der Brust vor die Öffentlichkeit zu treten. Doch sinkt deren Zahl altersbedingt rapide. Allein von den zu Jahresbeginn noch etwa 500 lebenden Teilnehmern der Schlacht um Stalingrad sind in den vergangenen vier Wochen über 20 verstorben. Als besonderen Bonus für alle Veteranen hält das zentrale Museum für die Schlacht um Stalingrad in diesem Jahr zu den Feierlichkeiten das Angebot bereit, vom Vestibül aus kostenlose Telefongespräche mit Freunden und Angehörigen zu führen.

Die anstehenden Feierlichkeiten haben so manches Kuriosum zu bieten. So ist die Nachstellung einiger historischer Szenen geplant. Zuschauer dürfen verfolgen, wie der Befehlshaber der 6. Armee, Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, sein Hauptquartier nach der deutschen Niederlage verlässt. Der Kellerraum in dem erhalten gebliebenen Kaufhausgebäude ist inzwischen als Museum für Besucher zugänglich. Auch aufwändigere militärische Massenszenen sind vorgesehen. Die Mitglieder des lokalen Vereins »Infanterist« scheuen keine Mühe, um die Authentizität der in ihren Reenactment-Spektakeln benutzten Wehrmachtsuniformen zu gewährleisten. Um diesen Effekt noch zu verstärken, fordern Mitlieder eines anderen Vereins, der »Experten Wolgograds«, als symbolische Geste zumindest für einen einzigen Tag die Rückbenennung der Stadt in Stalingrad.

Werbung in eigener Sache betreibt der Biker-Club »Nachtwölfe«. Dessen Chef Alexander Zaldostanow sagte, er verhandele mit der deutschen Rockband Rammstein über einen Auftritt während der Feiern, bei dem die Musiker ein sowjetisches Kriegslied auf Russisch vortragen sollen. Allerdings protestierte die Kommunistische Partei KPRF bereits heftig gegen eine Performance von Rammstein. Die »Nachtwölfe« sind für ihre patri­otisch eingefärbten Shows bekannt und durften bereits den russischen Präsidenten unter ihren Zuschauern begrüßen. In Wolgograd ist es beinahe unmöglich, sich den Erinnerungen an die Ereignisse zu entziehen. In der Stadt stößt man auf Schritt und Tritt auf Reminiszenzen an den Krieg, die Heldentaten, die zahlreichen Opfer und den Sieg. Die mächtige und alles überragende Mutter-Heimat-Statue, das Wahrzeichen der Stadt, thront auf dem Mamajew-Hügel, wo sich die größte russische Gedenkstätte für den Zweiten Weltkrieg befindet. Ausgerechnet während der Vorbereitungen zum 70. Jahrestag des Sieges ­initiierte die Stadtverwaltung unlängst die Suche nach einem neuen, für Touristen angeblich attraktiveren Markenzeichen und sorgte damit für einen Skandal.
Für inhaltlich anspruchsvollere kritische Zwischentöne, beispielsweise hinsichtlich der Gründe für die hohen Verluste auf der sowjetischen Seite, insbesondere unter der Zivilbevölkerung, bleibt derzeit kein Raum. Auch nicht für das Gedenken an die über 600 von den deutschen Besatzern während der Schlacht um Stalingrad ermordeten Wolgograder Juden. Die Behörden konnten sich bislang nicht einmal zur Genehmigung eines Denkmals an deren vor wenigen Jahren entdecktem Massengrab durchringen.