Haushaltskürzungen in den USA

Pech gehabt, Kinder!

Automatische Haushaltskürzungen sorgen in den USA für Streit. Die Schuld an ihnen wollte Barack Obama den Republikanern geben. Zu Unrecht.

Der sogenannte Sequester war bis vor kurzem in den USA noch weitgehend unbekannt. Mittlerweile ist das Wort in aller Munde, denn am 1. März traten die so bezeichneten automatischen staatlichen Ausgabenkürzungen in allen Bereichen in Kraft. Präsident Barack Obama hatte früher vor den womöglich verheerenden Folgen dieser Kürzungen gewarnt und die Schuld an derEinführung des Automatismus den Republikanern zugeschoben. »Der Sequester war nicht meine Idee. Und es wird nicht so weit kommen«, sagte er. Dumm nur, dass es nun doch so weit kam – und dass die Idee keineswegs von den Republikanern stammt. In seinem Buch »The Price of Politics« beschreibt der renommierte US-Journalist Bob Woodward, dessen Enthüllung des Watergate-Skandals (gemeinsam mit Carl Bernstein) seinerzeit Präsident Nixon zu Fall brachte, was sich wirklich abgespielt hat: Als im Sommer 2011 die Verhandlungen zur Erhöhung der staatlichen Schuldengrenze ins Stocken kamen, schlug Obamas Team, angeführt von Wirtschaftsminister Jack Lew und dem Leiter des Nationalen Wirtschaftsrates, Gene Sperling, einen Automatismus für die Auslösung der Sparmaßnahmen vor – den Sequester. Der Plan ging auf, die Schuldengrenze wurde erhöht. Doch nun gehen die Republikaner keine Kompromisse mehr ein. Einen ernsthaften Versuch, über den Sequester neu zu verhandeln, gab es nicht. Stattdessen wollen beide Seiten einander die Schuld zuschieben.

»Die Republikaner haben zugelassen, dass es so weit kommt«, kritisierte Obama und wollte sich als entschiedener Gegner der unliebsamen Kürzungen profilieren. An die 85 Milliarden Dollar sollen dieses Jahr eingespart werden. So werden die Ausgaben für Gesundheit und Soziales um landesweit knapp 30 Milliarden Dollar gekürzt. Nach Angaben der Regierung droht allein in Kalifornien über 1 200 Lehrern die Entlassung, 15 000 Kinder werden wohl nicht mehr auf Staatskosten geimpft. Auch »Essen auf Rädern« und andere Sozialleistungen für Senioren werden eingeschränkt. Weitere Mittel werden dem Amt für Umweltschutz entzogen.

In anderen Bundesstaaten sieht es ähnlich aus. In New York könnten 120 staatliche Schulen für Arme geschlossen und fast 600 Lehrer entlassen werden. In Florida, wo sehr viele Senioren leben, werden fast vier Millionen Dollar bei den Hilfsleistungen für ältere Menschen gestrichen. Experten rechnen zudem mit einem Rückgang der Wirtschaftsleitung. So drastisch die Einschnitte sind, sie machen in den kommenden zehn Jahren dennoch nur knapp acht Prozent des Bundeshaushalts aus. Interessanterweise betreffen die weitaus größten Kürzungen den Militärhaushalt, ein Heiligtum für die Republikaner, die wohl das Kleingedruckte nicht gelesen haben. So sollen in Kalifornien 64 000 Stellen beim Militär oder bei Herstellern von Waffensystemen gestrichen werden – eine längst überfällige Maßnahme. Auch die Herstellung des neuen Kampfjets F-35 mit einem Stückpreis von fast 237 Millionen Dollar könnte gestoppt werden. »Eine Katastrophe« nannte dies der republikanische Senator Lindsey Graham, der eigentlich als strenger Fiskalpolitiker bekannt ist, nun aber um die »größte Kriegsmacht der Welt« bangt.
Zum ersten Mal seit der Clinton-Ära wird in Amerika wieder gespart, wenn auch teilweise an den falschen Stellen. Ist der Sequester also wirklich so schlimm wie vorhergesagt? Obama jedenfalls mildert inzwischen seine Kritik. »Es ist nicht die Apokalypse«, meinte er vorige Woche. Was das Sparen angeht, geht er nun mit gutem Vorbild voran. Er strich alle Schulfahrten ins Weiße Haus, was bei Schülern in ganz Amerika zu einem Aufschrei des Entsetzens führte. Doch in Washington ist fürs erste keinerlei Bewegung in Sicht. Die Politik scheint ihren Frieden mit dem Sequester gemacht zu haben. Pech gehabt, Kinder!