Freedom an der Mauer

Konfetti flog, Münder lachten, »David! David!«-Sprechchöre ertönten. Am Sonntag versammelten sich Tausende Menschen in Berlin an der East Side Gallery, einem Rest Berliner Mauer, um David Hasselhoff zuzujubeln. Einige hielten Schilder mit Kommentaren wie »Hoff–nung für Berlin!« und »David gegen Goliath«, andere Fahnen der »Partei«, die stolz im Spreewind wehten. Die meisten bekamen »Hoffs« Ankunft nur durch Freudenrufe und eine Menge von gereckten Kameras aus den vorderen Reihen mit. Dann stellte sich der gutaussehende Mann etwas erhöht in die Eingangstür des Lautsprecherwagens und winkte seinen Fans und Mitstreitern zu. Vielleicht erkannte er sogar einige Gesichter von einem früheren Konzert in der benachbarten »O2-World«. Dann sang er genau die Strophe, die wohl die Hälfte aller Demonstrierenden den ganzen Tag in freudiger Erwartung vor sich hingesummt hatte. In diesen vier Zeilen erzählt er, dass er lange nach Freiheit gesucht habe und dass diese Suche fortdauere. Der Rest des Liedes passte wohl nicht richtig zum Anlass. Darin geht es um einen Sohn wohlhabender Eltern, der von zu Hause fortgeht, um ein Selfmademan zu werden: die bürgerliche Antwort auf Entfremdung. Seinen Ruf als Freiheitshymne bekam das Lied, weil es ungefähr zur Zeit des Mauerfalls veröffentlicht wurde. Ohne musikalische Begleitung und nur vier Zeilen lang war es aber doch etwas langweilig. Darum wiederholte David diese Zeilen alle zwei Minuten, kurz unterbrochen von ein paar Worten, Winken, und einem enthusiastischen Jubelruf. Einige Bärbeißige, die »nicht wegen David« da waren, sondern um »gegen den Mauerabriss und Gentrifizierung zu demonstrieren«, erkannte man an den zusammengepressten Lippen und dem zuckenden Kiefermuskel. Die anderen waren Hasselhoff-selig und fuhren gleich danach zur Kissenschlacht an der Jannowitzbrücke, bei der 300 Leute mit ihren Handys 30 andere beim Kissenkampf fotografierten.