Schäubles Besuch in Griechenland

Reise an den Ort des eigenen Versagens

Bei seinem Besuch in Griechenland lobte der Bundesfinanzminister die geplanten Massenentlassungen und erteilte einem neuen Schuldenschnitt eine klare Absage.

Der Zeitpunkt, zu dem der deutsche Finanzminister Griechenland besuchte, war ebenso dramatisch gewählt wie die Botschaft, die er überbrachte. Nur einen Tag vor der Ankunft von Wolfgang Schäuble (CDU) verabschiedete das griechische Parlament Ende vergangener Woche ein weiteres Sparpaket. Demnach sollen noch in diesem Jahr bis zu 15 000 Staatsbedienstete entlassen werden, sonst erhält das Land keine Kredite mehr.Kaum gelandet, lobte Schäuble den Beschluss in den höchsten Tönen. Die Regierung in Athen sei »insgesamt auf einem Weg, der Griechenland in eine bessere Zukunft führte«, sagte er. Und er sei zuversichtlich, dass die Wirtschaft des Landes bald wieder auf Wachstumskurs kommen werde.
Doch diese Hoffnungen werden mittlerweile nicht einmal mehr von der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) geteilt, die den drastischen Sparkurs einst verordnet hatte.
Schließlich ist es völlig schleierhaft, warum ausgerechnet Massenentlassungen bei einer offiziellen Arbeitslosenquote von 27 Prozent das Land aus der Krise führen sollen. Seit fünf Jahren schrumpft die Wirtschaft, eine Besserung ist nicht in Sicht. Infolge der schweren Rezession wachsen seitdem nur die Schulden: Mittlerweile beträgt das Defizit über 220 Milliarden Euro, Ende des Jahres soll es bereits wieder 175 Prozent des Bruttosozialprodukts betragen. Um die Summe spürbar zu reduzieren, müsste die griechische Wirtschaft künftig chinesische Wachstumsraten überbieten. Indes erhält das Land von der Troika immer wieder neues Geld, das im Wesentlichen dazu dient, alte Schulden beim IWF oder bei der EZB zu bedienen.
Der IWF hatte bereits Anfang Juni erklärt, dass die bisherige Sparpolitik gescheitert sei. Ohne einen weiteren Schuldenschnitt sei das Land nicht zu retten, hieß es in einem entsprechenden Bericht. Dieser Meinung schlossen sich auch konservative Einrichtungen wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft an.
Davon will aber Wolfgang Schäuble partout nichts wissen. Er rate »dringend davon ab«, sich mit dieser Möglichkeit überhaupt zu beschäftigen, erklärte er in Athen unentwegt. Angeblich würden solche Überlegungen die Griechen nur dazu verleiten, die für sie so schmerzhaften Reformmaßnahmen einzustellen.
Tatsächlich müsste die Bundesregierung eingestehen, dass ihre Strategie versagt hat. Doch von einem neuerlichen Schuldenschnitt wären nun vor allem öffentliche Gläubiger und damit auch deutsche Steuerzahler betroffen. Deutschland hat Griechenland bislang über Hilfskredite und Anleihekäufe rund 80 Milliarden Euro geliehen. Die Hälfte der Summe wäre bei einem neuen Schnitt wohl verloren. Und vermutlich würden andere Länder wie Portugal bald mit ähnlichen Forderungen folgen. Vor der Bundestagswahl will Schäuble eine solche Entwicklung auf jeden Fall verhindern. Auf Dauer wird dies aber nicht möglich sein. Fraglich ist nur, wer dann für das Desaster verantwortlich gemacht werden wird: Die Bundesregierung wegen ihrer fatalen Politik oder wiederum die Griechen? Die Antwort wird Schäuble sicherlich schon wissen.