Die Debatte um die Reform der Geheimdienste in den USA

Beam him down, Barack

In der NSA-Affäre geht es jetzt auch ums Geschäft. Das stärkt die Befürworter einer Geheimdienstreform in den USA.

Die vielleicht empörendste unter den zahlreichen Verfehlungen des NSA-Direktors Keith Alexander ist, dass er seine Kommandozentrale im Stil der Brücke des Raumschiffs Enterprise gestalten ließ. Hat dieser Mann denn vor nichts Respekt? Wenigstens hätte er Captain Jean-Luc Picard besser zuhören sollen: »Der Weg von einem legitimen Verdacht zum grenzenlosen Verfolgungswahn ist weitaus kürzer, als wir denken.« Alexander wird die Brücke voraussichtlich Anfang kommenden Jahres verlassen müssen, denn er ist der Repräsentant einer Geheimdienstpolitik, die ungewollt die Oberste Direktive kapitalistischer Regierungstätigkeit missachtet hat: Schade nie den Interessen strategisch wichtiger Konzerne! Im Kongress wird über eine Geheimdienstreform, den USA Freedom Act, diskutiert, nachdem ein erster Antrag, der National Security Agency die Finanzmittel für die Überwachung von US-Amerikanern zu entziehen, im Juli nur knapp die Mehrheit verfehlte.
Seitdem haben sich den Verteidigern der Bürgerrechte zahlreiche Realpolitiker zugesellt, da nicht zuletzt die Anhörungen Alexanders vor dem Kongress deutlich gemacht haben, dass ein weit über den tatsächlichen Spionage- und Überwachungsbedarf hinausgehender Apparat aufgebaut wurde, dessen Tätigkeit von zweifelhaftem Nutzen ist, aber erheblichen diplomatischen und wirtschaftlichen Schaden anrichtet. Eine Einschränkung der Geheimdienstbefugnisse in den kommenden Monaten ist daher wahrscheinlich. Bürgerrechtlichen Anforderungen wird die Reform zwar nicht genügen, doch dürfte die juristische Aufsicht verschärft, vermutlich sogar manch ein Überwachungsprogramm gestrichen werden.
Es wirkt kurios, wenn nun Konzerne wie Google und Facebook vom Senat eine »substantielle Stärkung des Schutzes des Privatsphäre« fordern. Doch der Lobbyismus der IT-Firmen wird ernst genommen. Sie fürchten um ihre Führungsstellung auf dem Weltmarkt, die als ein strategisches Anliegen der US-Politik gelten kann. Es geht ums Geschäft, um die soft power digitaler Hegemonie und um globalen Einfluss, da auf dem IT-Markt Standards gesetzt werden, die auch für andere Branchen große Bedeutung haben.
AT & T hat bei dem Versuch, Vodafone zu kaufen, bereits Probleme mit europäischen Behörden. Die derzeit in Europa geforderte »digitale Aufrüstung« ist zwar bislang nur eine vage Idee. Doch nun, da es nicht um etwas so Belangloses wie Bürgerrechte, sondern um nationales Prestige und wirtschaftliche Interessen geht, werden sogar Politiker der CDU/CSU munter. Europäische IT-Konzerne können daher mit Subventionen und gesetzlicher Begünstigung rechnen. Lateinamerikanische und asiatische Staaten werden wohl ähnliche Maßnahmen ergreifen.
Eine Stärkung der Bürgerrechte ist durch die Abkoppelung von den USA jedoch nicht zu erwarten. Denn nicht der Zugriff der jeweiligen nationalen Geheimdienste soll eingeschränkt werden, diese sollen vielmehr für den digitalen Konkurrenzkampf gestärkt werden. Während in den USA nicht nur Linke und liberals vor allem dem eigenen Staat misstrauen, gilt dessen Stärkung den meisten Europäerinnen und Europäern als Schutz ­vor einer US-Besatzung im Internet. Der Kalte Krieg im Cyberspace hat begonnen.