Die NPD bei den Landtagswahlen in Sachsen

Keine Ferien für Nazis

Im August findet in Sachsen die Landtagswahl statt, ob der NPD der Wiedereinzug ins Parlament gelingt, ist fraglich. Dem Parteinachwuchs ist es zumindest gelungen, Wahlkampf an Schulen zu betreiben.

Als Skandal titulierten zahlreiche Medien vor zwei Wochen den Auftritt von Mitgliedern der Jugendorganisation der NPD, der Jungen Nationaldemokraten (JN), an sächsischen Schulen. Verkleidet mit einem Plüschkostüm spazierte »Platzhirsch – der Schülersprecher«, so die Bezeichnung der JN für den Neonazi im Plüschkostüm, auf Schulhöfe und in Schulklassen. Während die Aktion an den meisten Schulen scheiterte, gelang es den Neonazis in einem Berufsschulzentrum in Reichenbach/Vogtland, einen kleinen Coup zu landen: Eine Lehrerin umarmte den JN-Hirsch vor der versammelten Schulklasse. Die Neonazis stellten Videos davon ins Netz und feierten sich ausgelassen auf ihren Websites und auf Facebook. Zahlreiche Journalisten stürzten sich auf den Vorfall und bescherten der JN und der NPD damit eine umfangreiche Öffentlichkeit in Presse, Funk und Fernsehen.

Eine Vorliebe der Neonazis, Plüschtiere und Comic-Figuren für ihre Propaganda zu verwenden, ist in den vergangenen Jahren des Öfteren zu beobachten gewesen. Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) verwendete den rosaroten Panther, um seine Opfer zu verhöhnen. In Südbrandenburg waren im März Angehörige des zuvor verbotenen Netzwerks »Widerstand Südbrandenburg« auf Schulhöfen unterwegs und filmten ihre Aktionen, um sie ins Netz zu stellen. Während Krümelmonster und rosaroter Panther auf US-amerikanischen Vorbildern beruhen, haben die JN Sachsen ihr Plüschkostüm sehr bewusst gewählt. Auf einem einschlägigen Neonazi-Blog heißt es: »Während um uns herum der Lebensraum entfremdet, die Gesellschaft entwurzelt und unsere Mitgeschöpfe ausgerottet werden, kämpfen junge Idealisten gegen den Zeitgeist der Degeneration. Ihr Maskottchen – der Platzhirsch – ist nicht nur ein Symbol, sondern eine Grundeinstellung.«

Die gewählte Aktionsform entspricht einem von den JN derzeit verfolgten Kurs. Ihr Vorstandsmitglied Michael Schäfer, Mitarbeiter der NPD im Sächsischen Landtag, sprach sich im vorigen Jahr dafür aus, sich von traditionellen Auftritten zu verabschieden. Damit folgen die JN einem Trend, der von Neonazigruppen wie »Spreelichter« und »Widerstand Südbrandenburg« in den vergangenen Jahren vorgegeben wurde. Statt sich an einer »von vermummten Polizisten mit ›Demokratieverstärkern‹ in Form von Gummiknüppeln und staatlich alimentierten Vollpfosten umringten Mahnwache« zu beteiligen, sollen sich die Kameraden mit der Videokamera bewaffnen und mit kleineren Aktionen größere Aufmerksamkeit erregen. So schrieb es Schäfer in einem Artikel der JN-Zeitschrift Der Aktivist. Das Parteilogo könne dabei auch mal in den Hintergrund treten; oberste Priorität habe die Vermittlung der eigenen Positionen in der Öffentlichkeit. In der gleichen Ausgabe des Aktivist schrieb der stellvertretende JN-Vorsitzende Julian Monaco, ebenfalls NPD-Mitarbeiter im sächsischen Landtag, dass dabei »sowohl die parteipolitische Idee ihrer Mutterpartei unter ihren Altersgenossen zu verbreiten, als auch umgekehrt die Meinung eben jener neuen Generation der eigenen Partei kundzutun« sei. Die JN dürften »frecher, kreativer und ohne Tabus« auftreten.

Die derzeitige »Platzhirsch«-Kampagne der sächsischen JN richtete sich gegen die Verbreitung von Drogen, insbesondere von Crystal Meth, Meth­amphetamin in Kristallform. Das Thema Drogen hat in der Neonaziszene Tradition. Bereits zu Beginn der neunziger Jahre warben rechte Gruppen und Parteien mit der Losung »Todesstrafe für Kinderschänder und Drogendealer«. Dem Drogendealer wird eine ausländische Herkunft zugeschrieben, die Droge diene dazu, den deutschen Volkskörper zu vergiften und damit die Volksgemeinschaft zu bedrohen. Methamphetamin wurde allerdings von deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg das erste Mal in größeren Mengen konsumiert, der Heeressanitätspark der Wehrmacht ließ bis 1941 mindestens 29 Millionen Tabletten unter der Bezeichnung Pervitin verteilen. Sie trugen mit ihrer leistungssteigernden und enthemmenden Wirkung ihren Anteil zur Schlagkraft der deutschen Kriegsmaschinerie bei.

In den vergangenen Jahren sind immer wieder Neonazis als Vertreiber der illegalen Substanz aufgeflogen. In Nordsachsen wurde 2013 ein Drogenhändlerring ausgehoben, der maßgeblich durch Lars S. betrieben worden sein soll. Dieser wiederum war in der Vergangenheit selbst im Umfeld der NPD aktiv und dem antifaschistischen Leipziger Magazin Gamma zufolge ein enger Vertrauter von Maik Scheffler, mittlerweile stellvertretender NPD-Landesvorsitzender. Lars S. ist kein Einzelfall, auch im sächsischen Penig, in Hoyerswerda und Dresden wurden in den vergangenen zwei Jahren bekannte Neonazis verurteilt, weil sie mit Crystal Meth in größeren Mengen gehandelt hatten.

Auch wenn die JN zu Beginn ihrer Kampagne noch den Anschein aufrechterhalten wollten, ihnen ginge es tatsächlich um das Thema Drogen, ist der Zeitpunkt der Kampagne kein Zufall. Am letzten Schultag vor den sächsischen Sommerferien war auf der JN-Facebook-Seite nichts mehr von der Drogenproblematik zu lesen. Stattdessen hieß es unter dem Foto des »Platzhirsches«: »JN rockt! #NPD wird gewählt!« Am 31. August findet in Sachsen die Landtagswahl statt. Die NPD ist nach etlichen Querelen, die ihren vorläufigen Höhepunkt im Rückzug von Holger Apfel aus der Bundes- und Landespolitik fanden, in einem desaströsen Zustand. Zahlreiche Neonazis haben sich von der Partei abgewendet. Das Mobilisierungspotential ihrer Demonstrationen und Kundgebungen ist so gering wie seit Jahren nicht mehr.

Angesichts der Konkurrenz durch die »Alternative für Deutschland« (AfD) kann vermutet werden, dass ein Teil des bürgerlichen Lagers, das in den vergangenen Jahren die NPD gewählt hat, abwandert. Experten gehen davon aus, dass die AfD in den sächsischen Landtag einziehen wird. Dass der NPD erneut der Einzug ins Parlament gelingt, erscheint hingegen so unsicher wie seit zehn Jahren nicht mehr. Es ist davon auszugehen, dass die Sommerferien bei der sächsischen NPD in diesem Jahr ausfallen. Das Scheitern bei der Landtagswahl würde die NPD in eine ernstzunehmende Krise stürzen, deren Folgen bundesweite Bedeutung für die Neonazipartei hätten. Sachsen ist nach wie vor ein Zentrum der organisierten Neonaziszene.

Die Verankerung des parlamentarischen Flügels dieser Szene im Landtag ist dabei ein grundlegendes Element. Die sächsische NPD-Landtagsfraktion wurde in den vergangenen zehn Jahren als Kaderschmiede genutzt. Insbesondere den führenden Köpfen der JN wurde durch den Mitarbeiterstatus ein sicherer Lohnerwerb verschafft. Neben dem Bundesvorsitzenden Andy Knape und seinem Stellvertreter Julian Monaco arbeiten derzeit weitere Vorstandsmitglieder der Jugendorganisation für die Frak­tion. Als Herausgeber der JN-Jugendzeitschrift Der Aktivist fungiert der Landtagsabgeordnete Arne Schimmer. Ohne die Landtagsfraktion läuft im Sächsischen Landesverband nur wenig. Die Bundesorganisation der Partei ist eng mit der Landtagsfraktion verbunden. Darüber hinaus fließen für Abgeordnete, Fraktion und Parteifinanzierung jährlich mehr als 1,4 Millionen Euro Steuergelder in die NPD-Parteikasse. Ohne diese Zuwendungen dürfte die Neonazipartei ihren Bankrott nicht mehr aufhalten können.