Der Wahlkampf der NPD in Sachsen

Auf Umwegen ins Jenseits

Am 25. Mai finden in Sachsen die Kommunalwahlen statt. Die NPD setzt im Wahlkampf vor allem auf Hetze gegen Flüchtlinge.

Die Ethnologin und Ghosthunting-Expertin Alexa Waschkau geht davon aus, dass es in Deutschland derzeit etwa 36 Teams mit variierender Gruppenstärke gibt, die sich auf der Jagd nach Geistern befinden. Sie nehmen Untersuchungen in Räumen, Gebäuden und auch auf Freiflächen vor, um unter anderem mit Kameras, Magnetometern oder Thermometern die Existenz von Geistern zu beweisen oder zu widerlegen. Waschkau sagt im Gespräch mit der Jungle World: »Die Ghosthunter-Szene haben wir bei unseren Recherchen als unpolitisch kennengelernt, die Motivation der meisten Mitglieder liegt im Reiz der Erforschung vermeintlich paranormaler Phänomene und in dem Wunsch, ›Spukopfern‹ zu helfen.«

Einer dieser Ghosthunter ist der 29jährige Leipziger Daniel Kaempf. In einem Interview auf einer Ghosthunting-Website sagte er Ende 2012: »Zuerst habe ich nicht daran geglaubt und jetzt bin ich sicher, dass da etwas sein könnte.« Kaempf war bis Ende 2013 offizieller Ansprechpartner für das Spirit-Research-Team Leipzig, das im Paranormal-Research-Team Sachsen organisiert ist. Inzwischen hat er seine Kompetenzen verlagert und kandidiert als Spitzenkandidat für die NPD im Leipziger Wahlkreis 3 für die Kommunalwahlen. Leipziger Antifaschisten teilten in einer Veröffentlichung mit, Kaempf sei darüber hinaus im Umfeld der Hooligan-Gruppierung »Blue Caps« tätig. Diese Eigenschaft teilt er, im Unterschied zu seiner Aktivität als Geisterjäger, nach Einschätzung der Leipziger Antifa mit einer ganzen Reihe weiterer Kandidaten in Leipzig. Zahlreiche von ihnen wurden bereits wegen Gewaltstraftaten verurteilt oder haben Gefängnisstrafen abgesessen.

Die Gewaltaffinität und Knasterfahrung ihrer Kandidaten ist derzeit allerdings nicht die größte Sorge der Leipziger NPD. In wenigen sächsischen Re­gionen wird ihr im Wahlkampf so offensiv begegnet. Auf die Hetze der NPD zur Kommunalwahl wurde in der Leipziger Region auch militant reagiert. Nachdem das Auto des stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD, Maik Scheffler, an Ostern gebrannt hatte, vermutete dieser eine politisch motivierte Straftat. Auf seinem Facebook-Account postete er ein Bild von seinem ausgebrannten Fahrzeug mit der beschwörenden Frage: »Zwingen sie mich damit in die Knie? Niemals!« Wie der sächsische Landesverband der NPD auf seiner Website mitteilte, erstattete der Rechtsanwalt Ingmar Knop im Auftrag des NPD-Landesvorsitzenden Holger Szymanski am 22. April Anzeige wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Ebenfalls nicht in die Knie zwingen lässt sich der NPD-Kreisverband Sächsische Schweiz Osterzgebirge. Die Region gilt seit Ende der neunziger Jahre bundesweit als ein Zentrum der organisierten Neonaziszene. Im vorigen Jahr verzeichnete die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Sachsen einen erneuten Anstieg neonazistischer Gewalt im Landkreis. Diejenigen, die bis 2001 unter dem Namen »Skinheads Sächsische Schweiz« (SSS) politische Gegner angriffen und die Region terrorisierten, sind in den vergangenen Jahren NPD-Kader geworden. Einzelne sind auf den Kandidatenlisten für die Kommunalwahlen wiederzufinden. Der Prominenteste unter ihnen dürfte Thomas Sattelberg sein. Er ist Vorsitzender des Kreisverbandes und Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion. Er wurde als einer der Rädelsführer der SSS verurteilt. Wegen Fortführung der kriminellen Vereinigung hat er eine Haftstrafe abgesessen.

Die Neonaziszene in der Sächsischen Schweiz trifft sich seit Ende vorigen Jahres im »Haus Montag«, einer Immobilie in der Pirnaer Innenstadt. Unter den regelmäßigen Besuchern ist auch Marcus Großmann zu finden. In der Vergangenheit trat er als Personenschützer des ehemaligen Bundesvorsitzenden der NPD, Holger Apfel, öffentlich in Erscheinung. Neben Sattelberg spielt er im wichtigsten NPD-Kreisverband seit einigen Jahren eine tragende Rolle. Großmann kandidiert auf Platz 1 im Pirnaer Wahlkreis 1. Unter den Kandidaten sind darüber hinaus Neonazis, die wegen eines Fackelmarsches der Kampagne »Die Unsterblichen« in Stolpen verurteilt wurden. Im Herbst 2011 zogen mehr als 150 vermummte Neonazis durch die sächsische Kleinstadt, um gegen den »Volkstod der Deutschen« zu demonstrieren und einen nationalen Sozialismus zu fordern.

Stimmen gewinnen möchte die NPD in Sachsen in erster Linie mit dem Thema Asyl. Nach den aus ihrer Sicht erfolgreichen Demonstrationen in Schneeberg fanden in den vergangenen Wochen zahlreiche Kleinkundgebungen im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften in Sachsen statt. Die NPD fuhr mit ihrem Landtagstross, einem Lautsprecherwagen und den immer gleichen Reden mehrere Stationen pro Tag ab. In der Regel standen einem Dutzend NPD-Kadern bei diesen Kundgebungen zahlreiche lautstarke Gegendemons­tranten gegenüber. Auch wenn die Partei die Bevölkerung auf den Kundgebungen nicht direkt erreichen konnte, war sie mit dem Thema in der regionalen Presse präsent und machte ihre Wählerschaft auf sich aufmerksam.

In keinem anderen Bundesland hat die NPD derzeit mehr Mandate als in Sachsen. Sie verfügt über 118 Sitze in den sächsischen Kommunalparlamenten und ist in allen Kreistagen vertreten. Die kommunalpolitische Vereinigung der NPD, die es sich zum Ziel gesetzt hat, kommunale Mandate der NPD bundesweit zu festigen und auszubauen, wird von einem sächsischen NPD-Politiker geleitet. Der Pressesprecher des NPD-Landesverbandes, Jürgen Gansel, beschreibt die Rolle der Kommunalpolitik mit den Worten: »Dörfer und Kleinstädte können im 21.Jahrhundert (…) zum Kristallisationspunkt eines fast erd-und bluthaften Widerstandes gegen die Globalisierung werden.«

Trotz immer knapper werdenden Personals bei der Kandidatenaufstellung und des drohenden Verlusts ihres Landtagsmandats im August ist damit zu rechnen, dass die NPD viele ihrer kommunalen Sitze halten kann. In ihren regionalen Zentren liegt ihr erwarteter Stimmanteil nach wie vor im zweistelligen Bereich. Was die Kandidaten auf kommunaler Ebene geleistet haben, scheint für die Wählerschaft zweitrangig zu sein. In vielen Fällen ist ihr Auftreten von Inaktivität oder kommunikativer sowie fachlicher Inkompetenz geprägt. Von Interesse ist hingegen die klare neonazistische Ausrichtung der Partei, die die Einstellung zahlreicher sächsischer Wählerinnen und Wähler widerspiegelt.

Konkurrenz macht der NPD in Sachsen derzeit vor allem die »Alternative für Deutschland« (AfD). Mit ihrem populistischen und chauvinistischen Auftreten spricht diese vermutlich eine ähnliche Wählerschaft an wie die Neonazipartei. So beschwerte sich der NPD-Landesverband Anfang April in einer Veröffentlichung, dass die Lokalredaktionen sächsischer Zeitungen immer wieder über die AfD berichten. In Dresden trat das AfD-Vorstandsmitglied Sören Oltersdorf in der vorigen Woche von seinen Ämtern zurück und zog seine Kommunalwahlkandidatur zurück, weil er in der Vergangenheit wiederholt an Veranstaltungen von organisierten Neonazis teilgenommen hatte. In zahlreichen sächsischen Wahlkreisen gelang es der AfD jedoch nicht, eigene Kandidaten für die Kommunalwahlen am 25. Mai aufzustellen. Der Niedergang der NPD wird sich in Sachsen damit deutlich langsamer vollziehen als im Rest der Republik.