Deutschland muss die Abschiebehaft reformieren

Vom Knast in die Einrichtung

Abschiebehäftlinge dürfen nicht in normalen Gefängnissen untergebracht werden. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden.

Wer noch keinen Abschiebeknast hat, muss jetzt einen bauen. So in etwa lautet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg, wonach Deutschland die Abschiebehaft reformieren muss. Die EU-Rückführungsrichtlinie sieht nämlich vor, dass Abschiebehäftlinge grundsätzlich in »speziellen Hafteinrichtungen« unterzubringen sind. Oder zumindest »gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen«, wenn es keine spezielle Einrichtung gibt. Abschiebehäftlinge sind eben keine gewöhnlichen Strafgefangenen, in juristischer Feinsäuberlichkeit werden sie ja auch gar nicht bestraft – sie sitzen in Haft, um ihre »Rückkehr vorzubereiten«. Anders gesagt: damit man sie besser abschieben kann.
In Deutschland sind dafür die Länder zuständig. Und die meisten Länder brachten Abschiebehäftlinge noch bis vor einem Jahr in Gefängnissen unter. Das mag in Mitgliedstaaten gehen, die generell keine speziellen Einrichtungen vorsehen, erklärte der Gerichtshof, nicht aber im föderalen Deutschland: Entweder die Länder bauen sich ihren eigenen Abschiebeknast oder sie haben freundlich ein anderes Bundesland um Übernahme ihrer Abschiebehäftlinge zu bitten.
Das Urteil hat seine Richtigkeit. Dass die Unterbringung in normalen Gefängnissen gegen die EU-Richtlinie verstößt, war allgemein bekannt. Mehrere Bundesländer haben schon reagiert, nachdem die deutschen Gerichte den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet hatten. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl fordern seit langem Änderungen. In den Gefängnissen galten für Abschiebehäftlinge teilweise ähnliche Bedingungen wie für Strafgefangene – abgeschlossene Zellen, Handyverbot und stark eingeschränkte Besuchszeiten. Die Bedingungen in den Abschiebeknästen sind in der Regel besser. Aber das ist auch schon alles.
Weniger Abschiebungen wird es nach dem Urteil schließlich nicht geben. Stattdessen bringt die Bundesregierung mal wieder neue Regelungen auf den Weg, mit denen sich die Abschiebeknäste eher füllen als leeren werden. So sollen auf dem Balkan kurzerhand »sichere Herkunftsstaaten« ausgerufen werden, obwohl jeder weiß, dass Roma dort massiv diskriminiert werden. Der Bundesrat muss den Plänen nach der Sommerpause noch zustimmen.
Ein weiterer Gesetzentwurf vom April sieht vor, dass Asylbewerber schneller inhaftiert werden können. Nach den Plänen des Innenministeriums etwa schon, wenn sie bei der Einreise Grenzkon-trollen umgangen, falsche Angaben gemacht oder Papiere weggeworfen haben. Es gab heftige Kritik daran und wahrscheinlich wird das Innenministerium seine Pläne entschärfen müssen, bevor der Bundestag zustimmt.
Notwendig wären aber legale Einreisemöglichkeiten und ein faires Asylverfahren anstelle von Grenzkontrollen und Abschiebungen. Das Urteil des Gerichtshofs ändert nichts an der zynischen Situation, dass Flüchtlinge wegen »Fluchtgefahr« eingesperrt werden, dass Menschen in Haft sitzen, die nur darauf warten können, gewaltsam außer Landes gebracht zu werden. Ob man das nun Gefängnis oder »spezielle Einrichtung« nennt, macht dann keinen wirklichen Unterschied mehr.