Die Dschungelkönigin

Wenn da nicht der Allmächtige seine Finger im Spiel hatte: Beinahe wäre auch Marina Silva beim Flugzeugabsturz am 13. August ums Leben gekommen, eine Terminverschiebung im letzten Moment bewahrte sie jedoch davor, mit dem Prä­sidentschaftskandidaten der Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB), Eduardo Campos, und weiteren Mitstreitern ins Flugzeug zu steigen. Am Mittwoch voriger Woche wurde seine ehemalige Stellvertreterin dann offiziell zur neuen Präsidentschaftskandidatin des PSB nominiert. Neuste Umfragen sehen Silva für die erste Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen am 5. Oktober zwar noch hinter der amtierenden Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT), in einer möglichen Stichwahl könnte Silva jedoch knapp führen. Zum ersten Mal wäre dann eine Nachfahrin afrikanischer Sklaven Präsidentin Brasiliens.
Silvas Eltern waren arme Kautschuksammler im Bundesstaat Acre, tief im Amazonasgebiet. Mit 16 ging sie in die Stadt Rio Branco und lernte lesen und schreiben. Sie arbeitete als Hausangestellte, bildete sich weiter und studierte. Mit dem 1988 ermordeten Umweltschützer Chico Mendes kämpfte sie für den Erhalt des Regenwalds und gründete in Acre einen Zweig des Gewerkschaftsdachverbands CUT. Unter Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva wurde sie schließlich Umweltministerin und trug bedeutend zum Schutz des Regenwaldes bei. Den unternehmerfreundlichen Kurs der PT-Regierung wollte sie jedoch nicht länger tragen, trat 2008 zurück und nach 24 Jahren aus dem PT aus. 2010 kam sie als Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei mit über 19 Prozent der Stimmen auf den dritten Platz. Nachdem die Zulassung ihrer neuen Partei »Netzwerk Nachhaltigkeit« gescheitert war, trat sie 2013 dem PSB bei, der aus der Regierungskoalition mit dem PT ausgestiegen war. Die 56jährige gilt als unbestechlich, doch als Evangelikale mit konservativen Werten verteidigte sie einen homophoben Politiker und Glaubensbruder und lehnt die Legalisierung von Abtreibungen und Marihuana ab. Darüber würde sie allerdings gern per Plebiszit entscheiden lassen. Vermutlich könnte sie sich auf den Konservatismus der Mehrheit der Bevölkerung verlassen. Und wäre mit ihr als Präsidentin auch ein großer Teil der Unterprivilegierten des Landes endlich repräsentiert, bleiben das Agrarbusiness und die alten Eliten in Bra­silien weiterhin mächtig. Doch die Wege des Herrn …