Die Demokratiefeindlichkeit von PKK und PYD

Nur der Feind des Feindes

Auch angesichts der Bedrohung durch den »Islamischen Staat« sollte man nicht vergessen, dass es sich bei PKK und PYD keineswegs um demokratische Kräfte handelt. Auch sie stellen eine Bedrohung dar.

Wer die derzeitige Medienberichterstattung zu Kobanê verfolgt, kommt nicht umhin, sich zu wundern. Nicht nur die üblichen Verdächtigen aus der Linkspartei feiern die PKK und ihren syrischen Ableger, die PYD, als Befreiungsbewegung. Nein, auch Konservative wie Volker Kauder können sich plötzlich eine Bewaffnung der in Deutschland verbotenen Organisation vorstellen. Der Vormarsch des »Islamischen Staats« in Syrien und im Irak lässt völlig neue Koalitionen möglich, ja sogar notwendig erscheinen.
Richtig ist, dass die PKK derzeit in Kobanê gegen den IS kämpft, unterstützt durch Luftschläge der USA. Die zunächst ebenfalls beteiligten Einheiten der PYD, die sogenannten Volksverteidigungseinheiten, YPG, haben sich gleich zu Beginn der Auseinandersetzungen zurückgezogen. Die schlecht ausgebildeten Kämpfer hatten dem IS nichts entgegenzusetzen. In Kobanê selbst leben keine Zivilisten mehr – die Bevölkerung ist längst in die angrenzende Türkei geflohen. Es geht der PKK mithin nicht darum, unschuldige Zivilisten vor den Massakern des IS zu bewahren. Der Kampf gegen den IS dient derzeit vor allem dem Zweck, vom Westen endlich als Bündnispartner anerkannt und, wie die irakischen Peshmerga, bewaffnet zu werden.

Bereits als der IS im August den irakischen Sinjar einnahm, zahlreiche Yeziden entführte oder hinrichtete und yezidische Frauen als Sklavinnen verkaufte, sah die PYD ihre Chance gekommen. Sie warf den Peshmerga Verrat an der yezidischen Bevölkerung vor – schließlich hatten diese sich überrennen lassen – und behauptete, sie allein habe die in die Berge geflohenen Menschen gerettet. Tatsächlich hatten YPG-Kämpfer nicht mehr getan als – gemeinsam mit einer deutlich größeren Anzahl Peshmerga – den Geflohenen einen Korridor zu sichern und sie nach Syrien einreisen zu lassen. Zu direkten Kämpfen mit dem IS kam es nicht. Die Mär von den heldenhaften PYD-Kämpfern setzte sich in der öffentlichen Wahrnehmung durch – die politische Anerkennung folgte daraus jedoch nicht, allein die irakisch-kurdischen Peshmerga stiegen zunächst zu Partnern des Westens auf.
Der Kampf um Kobanê bietet der PKK nun eine zweite Chance. Es ist ihr, ähnlich wie im Fall Sinjar, gelungen, sich als einzige effektive, demokratiefreundliche Kraft gegen die Islamisten darzustellen. Dass viele der aus den Dörfern um Kobanê stammenden Flüchtlinge der YPG vorwerfen, dem IS diese Dörfer kampflos überlassen zu haben, bleibt ungehört. Ebenso ungehört bleibt, was ein in Suruç gestrandeter Flüchtling stellvertretend für viele andere sagt: »Wir hoffen, dass die Amerikaner nicht nur den IS, sondern auch PKK und PYD von hier vertreiben.« Namentlich genannt werden möchte er nicht – aus Angst vor Repressalien. Er kann nicht vergessen, dass es sich bei der PKK um eine totalitäre Partei handelt, der es um die Ausweitung der eigenen Macht, nicht aber um Freiheit und Demokratie geht. Seit 2011 wurden rund 400 Personen von der PYD und ihrem Sicherheitsdienst entführt und eingeschüchtert, vor allem unabhängige Aktivisten und Mitglieder konkurrierender Parteien. Mehr als zwei Dutzend Personen wurden gezielt getötet. Die Menschen an Ort und Stelle können auch nicht verdrängen, dass die PYD einen Pakt mit dem Assad-Regime geschlossen hat: Bereits Mitte 2012 zog sich die syrische Armee aus weiten Teilen der kurdischen Gebiete zurück und überließ der PYD die Verwaltung. Als Gegenleistung ging die PYD gegen regimekritische Demonstrationen vor. Bis heute existieren in al-Qamishli Checkpoints der PYD und des Regimes friedlich nebeneinander, kämpft die PYD in al-Hassaka gemeinsam mit Assads Truppen gegen die Freie Syrische Armee.

Wie aber dem IS effektiv entgegentreten? Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass erst das syrische Regime den IS hat stark werden lassen, und dass eine Bekämpfung des IS ohne die gleichzeitige Bekämpfung Assads zum Scheitern verurteilt ist. Wie hypnotisiert blickt der Westen auf die Säbel schwingenden Barbaren des IS und vergisst dabei, dass es das syrische Regime ist, das maßgeblich für den Tod von fast 200 000 Syrern verantwortlich zeichnet.
Darüber hinaus ist es sehr wohl notwendig, lokale Kräfte an Ort und Stelle auszubilden und zu bewaffnen – aber eben nicht die PKK. Geeignet wären vielmehr moderate Teile der Freien Syrischen Armee, die ebenfalls in Kobanê kämpft. Darüber hinaus ist es an der Zeit, endlich eine parteiunabhängige kurdische Einheit aufzubauen, die bereit ist, sich in die Freie Syrische Armee zu integrieren. Diese Einheit würde zum einen gegen den IS kämpfen. Zum anderen müsste sie, wäre der IS erst einmal aus Kobanê vertrieben, dort Ordnungs- und Schutzfunktionen übernehmen – auch und gerade gegen die PYD.