Der Biker-Club »German Black Metal Commando«

Motorradfahren ist Krieg

René Wagner, Kopf der Black-Metal-Band Nargaroth, fiel in der Vergangenheit mit seiner Vorliebe für die Wehrmacht und die »weiße Rasse« auf. Nun hat er den Biker-Lifestyle für sich entdeckt und einen Club gegründet.

Vielen gilt er als die Witzfigur des deutschen Black Metal: René Wagner, alias Kanwulf, alias Ash, einziges Mitglied der sächsischen Band Nargaroth. Mit larmoyanten Videobotschaften, einem Auftritt in einer Talkshow und faschistischen ideologischen Versatzstücken zog der 40jährige Spott inner- und außerhalb der Szene auf sich.
Doch Wagner hat auch eine beträchtliche Zahl an Fans. Seit Ende der neunziger Jahre veröffentlicht er Platten. Mit der Unterstützung von Gastmusikern gibt er international Konzerte. Am bekanntesten ist er wohl wegen eines Albumtitels seiner Band. Die CD »Black Metal ist Krieg« wurde 2001 veröffentlicht, die Worte avancierten zur ubiquitären Parole. Wagners neuester Coup hat hingegen wenig mit Musik zu tun. Der 40jährige ist Gründer des wahrscheinlich ersten Black-Metal-Rocker-Clubs. Dieser trägt den Namen »German Black Metal Commando« (GBMC). Es ist wohl kein Zufall, dass das »MC« in GBMC auch als »Motorcycle Club« gelesen werden kann.

»Das GBMC ist ein ideologischer und kameradschaftlicher Bund. Sein Ziel ist die Schaffung einer unterstützenden Gemeinschaft, die sich der Tradition des Black Metal verpflichtet fühlt«, heißt es auf der Facebook-Seite des GBMC. Auf Fotos posieren muskelbepackte, schwarz gekleidete Männer meist mit Sturmhauben. Patronengürtel, lange Haare und Aufnäher treffen auf Lederkutten und Fahnen, so dass eine Synthese aus dem Dresscode des Black Metal und der männlich-martialischen Note von Rocker-Clubs entsteht. Wagner zufolge existieren mehrere sogenannte Chapter des GBMC, auf Facebook zeigt sich ein vermummtes Mitglied mit einem Aufnäher mit der Aufschrift »Salzburg«. Der Musiker erhebt den Führungsanspruch, ohne seine Zustimmung darf kein neues »Chapter« gegründet werden.
Als Wagner 1999 in der Nachmittagstalkshow »Sonja« zum Thema »Bei deinem Anblick wird mir schlecht« auftrat, um sich mit seinem damaligen Mitbewohner über modische Differenzen zu unterhalten, trug er Kajal, Netzhemd und einen schwarzen Lederrock. »Weil ich so bin, wie ich bin. Das ist das Favorisieren einer Epoche in der menschlichen Geschichte vor dem Mittelalter, vor Christus«, erklärte Wagner damals seinen Stil. Mittlerweile präsentiert er sich mit muskulösen, tätowierten Armen und zeigt in einem Video, wie er in der amerikanischen Wüste eine Schrotflinte abfeuert.
Den Wandel vom androgynen Eigenbrötler zum starken Mann erklärt Wagner, nach eigener Aussage Psychologe von Beruf, in einem Interview so: »Die meisten Black-Metal-Musiker und Fans waren nie körperlich stark. Ich war es auch nicht und das hat mich angeekelt.« Er habe »Männer in der Black-Metal-Szene vermisst, Männer, die sich nicht die ganze Zeit beschweren, die ihr Leben im Griff haben und fähig sind, Probleme zu lösen, anstatt aufzugeben«. Er habe begonnen, »intensiv im Fitness-Studio zu trainieren«. Dort habe er erkannt, dass er von »verkrüppelten Existenzen« umgeben sei. Gegen die vermeintliche Verkrüppelung der Black Metaller sollen offenbar Trainingscamps helfen, in denen Korpsgeist, Kampfkunst und Überlebensfähigkeiten trainiert werden. In der Gruppe sollen sich die Mitglieder des GBMC durch Work-out und Abstinenz den nötigen physischen und psychischen Panzer zulegen.

War der norwegische Kirchenbrandstifter und Mörder Varg Vikernes, der als Person und mit seiner einflussreichen Band Burzum die Verbindung des Black Metal mit völkischem, rassistischem und antisemitischem Gedankengut entscheidend vorantrieb, noch ein einsamer Wolf im Kampf gegen die Komplexität der Welt, tritt das GBMC eher im Stil einer SA-Kolonne auf. Auf Konzerten von Nargaroth stehen uniform in Schwarz gekleidete und vermummte Mitglieder des GBMC als Fahnenträger und Garde auf der Bühne, die einheitlichen GBMC-Aufnäher erinnern an militärische Abzeichen.
Dass die motorradfahrenden Black Metaller ein Auftreten pflegen, das an faschistische Vorbilder erinnert, ist angesichts von Äußerungen und Verbindungen Wagners nicht unbedingt verwunderlich. So heißt es im Booklet der Erstpressung der Nargaroth-CD »Herbstleyd« von 1999: »Zur höheren Ehre des deutschen Soldaten der Wehrmacht 1933–1945. Die Negierung ihrer Leistungen sowie das Augenverschließen vor ihrer Opferbereitschaft, gerade im letzten Kriegsjahr, ist die Schande unserer Nation!« In holprigem Englisch schreibt Wagner zudem: »German hateful and misanthropic Black Metal, made from white man for white man.«
In Interviews wie etwa mit dem Pest Webzine im Januar 2014 bedauert Wagner unter anderem, wegen dieser Äußerungen etliche Auftrittsmöglichkeiten verloren zu haben. Seine Widmung an die Wehrmacht sei falsch verstanden worden. Er engagiere sich für die Kriegsgräberfürsorge und habe lediglich auf die Organisation aufmerksam machen wollen. Die Äußerung auf Englisch sei der jugendlichen Lust an der Provokation geschuldet. Mit National Socialist Black Metal (NSBM) hätten er und seine Band nichts zu tun, so Wagner im Gespräch mit dem Pest Webzine. Der Vorwurf, eine NSBM-Band zu sein, werde häufig erhoben, um »Elemente kontrollieren und unterdrücken zu können, die nicht mit dem Strom schwimmen wollen«.
Auf Youtube sind jedoch Videos eines Auftritts seiner Band zu finden, bei dem er seinen Arm sowohl zum Hitlergruß als auch zum sogenannten Kühnen-Gruß hebt. Zudem hat er seine Sympathie für die wohl bekannteste deutsche NSBM-Band, Absurd, bekundet. Für kurze Zeit half er bei der ebenso nazistischen thüringischen Band Totenburg aus, die ihren Stil als »Thuringian Aryan Black Metal« bezeichnet. Seine Platten veröffentlichte Wagner bislang beim NSBM-Label No Colours Records. Andrew Jay Harris, der als Gastmusiker bei Nargaroths Auftritten mitwirkt, phantasierte in der Vergangenheit in Interviews von der Schönheit der »Arier« und beteiligte sich mit seiner Band Weltmacht an der Kompilation »The Night and the Fog. A Tribute to the National Socialist Black Metal Underground«. Tino Mothes, ein weiterer Gastmusiker bei Nargaroth, spielte wie Wagner bei Totenburg. Bei Auftritten mit der Band Lyssa zeigte Mothes den Hitlergruß.

Bereits 2006 hatte Wagner in einem Video eigentlich seinen Abschied von der Black-Metal-Szene erklärt. Die Aufnahme offenbart die krude Weltsicht des Musikers. »Ich habe Demos aufgenommen und dafür Geld bekommen, aber dieses Geld ist kalt. Wenn irgendjemand von Euch mir was Privates schickt, bedeutet mir das viel mehr«, sagt Wagner. Dabei hält er ein Kettenhemd von Rob Darken in die Kamera, dem Sänger und Gitarristen der polnischen NSBM-Band Graveland. In einer anderen Sequenz sortiert er Platten aus. Dann verbrennt er Tonträger, Shirts und Zeitschriften auf einem ostdeutschen Gartengrundstück.
Ähnlich komische Momente bietet auch Wagners derzeitiges Projekt »Pænultimate Journey«, eine auf Facebook dokumentierte Reise und angeblich eine erneute Abkehr von der Black-Metal-Szene. Fleißig hat Wagner Fotos von ehemaligen deutschen Bunkeranlagen in Norwegen veröffentlicht. Auf ihnen sind Wandmalereien mit Sprüchen wie »Wir sind vergänglich, aber Deutschland muss leben« zu sehen. In den vergangenen Wochen hielt sich Wagner allerdings in den USA auf. Fotos aus Las Vegas und von Hamburgern, Fritten und US-Flaggen, versehen mit dem Kommentar »I always liked their patriotism!«, sorgen bereits für Missmut unter einigen Fans. Vielleicht haben sie Angst, Wagner könnte den Verlockungen der amerikanischen Kulturindustrie erliegen.