Der »Aktionsplan Klimaschutz«

Alt wie Adenauer

Deutschland hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu senken. Doch dieses Ziel erscheint mittlerweile unrealistisch – es sei denn, Kohlekraftwerke werden stillgelegt.

Der Beiname »Klimakanzlerin« wurde Angela Merkel in der Vergangenheit verliehen. Dass sie als »Klimakanzlerin« in die Geschichte eingeht, ist jedoch unwahrscheinlich. Denn das selbstgesetzte Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere von Kohlenstoffdioxid (CO2), um mindestens 40 Prozent gegenüber den Werten aus dem Jahr 1990 zu reduzieren, wird nach derzeitigen Prognosen nicht erreicht werden.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat deshalb den »Aktionsplan Klimaschutz 2020« ins Leben gerufen, mit dem das ehrgeizige Ziel doch noch erreicht werden soll. Nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums würden ohne zusätzliche Maßnahmen nur knapp 33 Prozent der CO2-Menge bis zum Jahr 2020 eingespart. Daher sollen ressortübergreifend weitere Schritte zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beschlossen und gesetzlich festgeschrieben werden. Ein großer Anteil müsste durch CO2-Einsparungen im Energiesektor erreicht werden, Hendricks sprach sogar mehrfach davon, dass auch alte Kohlekraftwerke mit besonders hohem CO2-Ausstoß stillgelegt werden könnten. Während der Stromerzeugung aus Kohle entsteht besonders viel CO2, so wurden in Deutschland allein im Jahr 2013 etwa 340 Millionen Tonnen des Gases von Kraftwerken in die Luft geblasen.
Deshalb soll Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) für einen geringeren CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke sorgen. Er teilte vor wenigen Tagen mit, die Kraftwerksbetreiber müssten bis 2020 insgesamt 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen, genauer gesagt, ab 2016 jeweils 4,4 Millionen Tonnen im Jahr. Wie sie das bewerkstelligen, bleibt ihnen selbst überlassen. Zudem sagte Gabriel nach einem Treffen mit hochrangigen Vertretern der Kohlekonzerne, dass er keine Stilllegungen von Kraftwerken anordnen werde – entgegen den Forderungen der Umweltministerin und von Umweltverbänden. Das brachte Gabriel heftige Kritik ein, zumal die von ihm beabsichtigte Einsparung von 4,4 Millionen Tonnen CO2 im Jahr doch eher dürftig ist.

Anike Peters, Energieexpertin von Greenpeace, zeigt sich empört: »Sigmar Gabriel hat auf Druck der Kohlekonzerne nur ein Klimaschutz-Placebo vorgelegt. Mit lediglich 22 Millionen Tonnen angestrebter CO2-Minderung schont Gabriel einmal mehr die Kohleindustrie.« Dass die Einsparung durchaus größer sein könnte, scheint man auch im Ministerium zu wissen. Denn Peters fügt hinzu: »Das ursprüngliche Eckpunktepapier aus dem Bundeswirtschaftsministerium sah sogar eine Reduzierung von bis zu 55 Millionen Tonnen CO2 im Kraftwerksbereich vor – davon ist jetzt keine Rede mehr.«
Auch die Grünen im Bundestag finden deutliche Worte für das Verhalten des Wirtschaftsministers. »Gabriel ist mit seinen Versuchen, einen Deal mit der Kohlewirtschaft zu machen, kläglich gescheitert«, sagt Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. Er fordert, wie auch Greenpeace und weitere Umweltverbände: »Wirtschaftsminister Gabriel muss einen klaren Ordnungsrahmen schaffen, um die ältesten Kohlekraftwerke aus Adenauers und Honeckers Zeiten aus dem Markt zu nehmen! Anders ist das Klimaziel der Bundesregierung gar nicht zu erreichen.«
Die Grünen weisen darauf hin, dass die Bundesregierung die prognostizierte »Klimaschutzlücke« sogar »kleinredet«. Denn nach Auffassung der Partei wird die geplante CO2-Reduzierungsmenge im Jahr 2020 nicht nur um 70 bis 100 Millionen Tonnen CO2 verfehlt, wie von der Regierung befürchtet, sondern sogar um 200 Millionen Tonnen CO2. Die Grüne Bundestagsfraktion hat deshalb in der vergangenen Woche einen eigenen »Grünen Klimaaktionsplan« vorgelegt, in dem sie die Bundesregierung deutlich dazu auffordert, alte und ineffiziente Kohlekraftwerke stillzulegen.
Auch eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung und der European Climate Foundation kommt zu dem Ergebnis, dass es sinnvoll und erforderlich ist, alte und besonders klimaschädliche Kohlekraftwerke abzuschalten, um genug CO2 einzusparen. Besonders kommen dabei alte Braunkohlekraftwerke in Betracht, die noch mehr CO2 pro erzeugter Kilowattstunde ausstoßen als Steinkohlekraftwerke. Konkret benannt werden in der Studie zum Beispiel das Lausitzer Braunkohlekraftwerk Jänschwalde des Betreibers Vattenfall sowie Block C und D des Kraftwerkes Niederaußem, das das Unternehmen RWE betreibt.
Claudia Kemfert, Energieexpertin am DIW, weist außerdem darauf hin, dass das Abschalten von alten und unflexiblen Kohlekraftwerken zugleich den Effekt hätte, dass die weitaus effektiveren und weniger klimaschädlichen Gaskraftwerke eine größere Chance am Strommarkt hätten als derzeit. Aufgrund der Überkapazitäten an Strom, die auch wegen zu vieler Kohlekraftwerke entstehen, ist der Strompreis an der Strombörse European Energy Exchange derzeit sehr niedrig. Dies führt wiederum dazu, dass das Betreiben von Gaskraftwerken unwirtschaftlich bleibt, so dass in Deutschland bereits mehrere moderne und hocheffiziente Gaskraftwerke den Betrieb wieder eingestellt haben. Im Gegensatz zu den schwerfälligen und unflexiblen Kohlekraftwerken können Gaskraftwerke, die nur etwa ein Drittel des CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwerken haben, sehr schnell hoch- oder heruntergefahren werden und damit flexibel auf die Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom reagieren.

»Gaskraftwerke sind damit wichtig für die Energiewende«, sagt Anike Peters. Sie bekräftigt: »Klimaschutz braucht Kohleausstieg! Wir fordern daher die Bundesregierung auf, bis zum Jahr 2030 aus der besonders klimaschädlichen Braunkohleverstromung auszusteigen – und bis spätestens 2040 auch das letzte Steinkohlekraftwerk in Deutschland außer Betrieb zu nehmen.«
Eine wirksame Verringerung der Treibhaus­emissionen ist eines der Hauptthemen auf der derzeit in Peru stattfindenden Weltklimakonferenz. Auch Deutschland ist Vertragspartner der UN-Klimarahmenkonvention, in der sich alle teilnehmenden Staaten zum Klimaschutz und zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes verpflichtet haben.