Berlin Beatet Bestes. Folge 287.

Die anderen Golden Girls

Berlin Beatet Bestes. Folge 287. Rhonda Vanderbildt: Golden Girls (1983).

Am 18. April war mal wieder Record Store Day, sozusagen der Valentinstag der Indie-Plattenhändler. So sehr ich hoffe, dass an diesem Tag viele neue Kunden in die Läden gespült wurden, ich brauche den Record Store Day nicht. Ich gehe nicht gern einkaufen, wenn viele andere Leute das auch gerade tun. Noch dazu, wenn die Produkte an diesem Tag besonders teuer sind. Für mich ist jeder Tag Record Store Day – es vergeht keine Woche, in der ich keine Platten kaufe. Wenn ich einen Record Store Day ausrufen würde, wäre das ein Tag, an dem alle Platten nur die Hälfte kosten. Und Plattenspieler gäbe es umsonst dazu.
Dabei sind die meisten Platten sowieso schon unglaublich billig. Die auf dem Flohmarkt und in den Trödelkisten jedenfalls. Ich kann gar nicht glauben, dass ich jede Woche für 50 Cent Platten kaufen kann, die ich noch nie im Leben gesehen oder gehört habe. Und ich sammle seit 35 Jahren Platten und habe schon so einiges gesehen. Außerdem leuchtet das verdammte Internet schon in jede verborgene kulturelle Nische und lässt es so aussehen, als gäbe es nichts mehr zu entdecken. Was sich nicht teilen lässt, scheint bedeutungslos zu sein. Aber die Beliebigkeit des Teilens entwertet auch. Nichts, was ich auf Soundcloud, Spotify oder Facebook »entdecke«, wird mich jemals so überraschen wie eine alte, staubige Platte vom Flohmarkt.
So wie diese Maxi-Single, die mir vergangene Woche im Trödelladen ins Auge sprang. Die barbu­sige Rhonda Vanderbildt singt den Song »Golden Girls« aus dem gleichnamigen Film. Mein Exemplar ist sogar signiert: »Love, Rhonda Vanderbildt«. Golden Girls? Die Achtziger-Jahre-Serie um eine Oma-WG in Florida? Was hat diese Frau denn mit der Serie zu tun? Wer hätte da nicht kurz gestutzt. Aber die Platte kaufen? Dazu gehört schon mehr Entschlossenheit. Also erst einmal zur Kasse, mit zwei weiteren Platten, diese zuunterst, damit es nicht so auffällt. »Drei Stück«, sage ich und halte die Platten kurz aufgefächert hin. »Macht einsfuffzich.« Ich bezahle, danke und gehe. Puh, voll peinlich. Zuhause: Recherche. Ganz schön frech, auf das Cover so groß »Golden Girls« zu schreiben, wo doch ein Pornofilm von Beate Uhse gemeint ist. Rhona Vanderbildt, alias Rachel Ashley, wirkte, auch unter den Pseudonymen Rachel Orion und Ashley Summer, in Filmen wie »Flesh­dance«, »The Sperminator« und »Shaved Sinners« mit. Die beiden Titel auf der Platte sind typischer softer Hardrock der achtziger Jahre. Ich mag die Songs, sie sind besser als die Titelmelodie der Serie Golden Girls.
Das Interessante an dieser Scheibe ist, dass die Pornoindustrie 1983 wohl so boomte, dass sie parallel zum Film sogar den Soundtrack auf Vinyl veröffentlichen konnte – natürlich gesungen von einer Darstellerin des Films. Die Single-Version der Platte zeigt Rhonda Vanderbildt übrigens nur bis zum Hals. Rhonda trat ein Jahr später noch einmal in der Sendung Mu­sik­laden mit dem Titel »Racing Heart« auf. Danach verlieren sich ihre Spuren.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.