Nachhaltig aufsteigen

»Jetzt heißt es fünf Jahre parteifrei weiterdenken«, twitterte Hannes Rockenbauch noch im Mai vergangen Jahres, als er für das parteifreie Bündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) in den Stuttgarter Stadtrat gewählt wurde. Von wegen. Gerade einmal ein Jahr später möchte der bekannte Stuttgart-21-Gegner bei den Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg für die Linkspartei kandidieren. »Ich habe Lust dazu«, antwortete der 34jährige auf die Frage der Taz, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen sei. Als einer der schärfsten Kritiker von Stuttgart 21 wurde er bei den »Schlichtungsgesprächen« 2010 auch bundesweit bekannt. Nun möchte er noch weiter hinaus. »Die Ausbeutung von Mensch und Natur lässt sich nicht auf kommunalpolitischer Ebene überwinden«, stellte er in der Taz fest. Es habe 2011 zwar einen Personal-, aber keinen Politikwechsel gegeben, klagte er über die grün-rote Landesregierung. Deshalb sei eine neue politische Kraft wie »Die Linke« im Landtag nötig, sagte er der Stuttgarter Zeitung. Die Linkspartei erhofft sich durch den charmanten, aber angriffslustigen Kandidaten mehr Zuspruch. Bei der letzten Landtagswahl erhielt die Partei lediglich 2,8 Prozent der Stimmen, in aktuellen Umfragen kommt sie an die Fünfprozentmarke. Seine Meinung zur Partei habe sich geändert, weil sich auch die Partei geändert habe, sie sei der richtige Partner für Basisbewegungen, gegen SPD und Grüne, die sich mit ihrer Politik immer mehr der konservativen CDU näherten, so der Ingenieur für Architektur und Stadtplanung.
Damit mag er recht haben, »der Hannes«, aber Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. SÖS ist jeglicher Parteipolitik abgeneigt, unterstützt den Kommunalpolitiker der Wochenzeitung Kontext zufolge jedoch, solange er nicht Minister wird und sich weiterhin für die ökologischen und sozialen Richtlinien von SÖS einsetzt. Rockenbauch könnte wohl ganz verschiedene Gruppen für sich gewinnen. Er beteiligte sich an vielen Demonstrationen, soll auch Widerstand gegen die Polizei geleistet haben. Nachdem er gegen einen Pegida-Aufmarsch demonstrierte, wurde er von einem AfD-Stadtrat gar mit »Linksfaschisten« in Verbindung gebracht. Mit seinem Einsatz für die Rettung des Kopfbahnhofs in Stuttgart, der ihm zufolge für »Identität, Geschichte und Heimat« stehe, kann Rockenbauch aber womöglich auch heimatverbundene Baden-Württemberger überzeugen.