Rechte Hetze gegen Flüchtlinge in Österreich

Asyl auf dem Rasen

Die Asyldebatte überschattet in Österreich alle anderen Themen der öffentlichen Diskussion. Während Rechte gegen Flüchtlinge hetzen, müssen diese in Traiskirchen unter freiem Himmel schlafen. Zudem sollen Flüchtlinge in die Slowakei ausgelagert werden.

Sich im Pool abkühlen und gegen Asylbewerber hetzen – das scheinen einem Werbevideo des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) zufolge die beiden Aktivitäten zu sein, mit denen man den ungewöhnlich heißen Sommer in Österreich überstehen soll. Eine junge blonde Frau entspannt sich in einem Schwimmbecken. Dabei sagt sie: »Das Wasser steht uns bis zum Hals«, wobei ihr das Wasser in der Einstellung überhaupt nicht bis zum Hals steht. Ihre Brüste sind nämlich im halterlosen Bikini noch bestens über Wasser zu sehen – und das ist noch der niveauvollere Teil des Werbevideos der Jugendorganisation der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Eine Stimme trägt monoton vor: »Wusstest du, dass Tausende neue Asylbewerber nach Österreich kommen werden, während die Politik nur schweigend zusieht? Wusstest du, dass du fremd im ei­genen Land sein wirst? Wusstest du, dass du bald arbeitslos sein könntest?« Bebildert werden diese Kommentare mit dem Schlimmsten, was sich junge Rechtsextreme vorstellen können: Zelte, betende Muslime und Frauen, die Kopftuch tragen. Untermalt wird die rechtsextreme Propaganda mit dramatischer Musik. Da sind wohl auch ei­nige der Alten stolz, die ihre besten Jahre noch bei der Hitlerjugend verbracht haben.

Dabei geht es Geflüchteten in Österreich so schlecht, dass man sich selbst als Nachwuchs-Haider nicht beschweren kann. Die unhaltbaren Zustände vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit gehören in Österreich bereits seit längerem zum Alltag vieler Geflüchteter. Das staatliche Komplettversagen der Alpenrepublik lässt sich exemplarisch 20 Kilometer südlich von Wien beobachten. Die Bundesbetreuungsstelle für Asylwerber in Traiskirchen ist mit der Unterbringung der Geflüchteten völlig überfordert. In der Erstaufnahmestelle leben bis zu 4 600 Menschen, von ihnen hat rund die Hälfte nicht einmal ein Bett. Menschen schlafen im Freien, während die Temperaturen auf knapp 40 Grad ansteigen. Für Lebensmittel muss man im Lager zwei bis drei Stunden anstehen. Vergangene Woche wurde ein Aufnahmestopp im Asyl-Erstaufnahmezentrum Traiskirchen verhängt. Neu ankommende Asylsuchende werden nun in Postbussen untergebracht, weil sie nicht mehr in das Erstaufnahmezentrum dürfen. Recherchen des Standard zufolge erhalten diese nur ein Lunchpaket pro Tag sowie Mineralwasser in Flaschen. Vor allem für Babys und Kinder ist es bei der Hitze kaum erträglich, tagelang in einem Bus zu leben.
Die ersten Personen wurden inzwischen auf andere Standorte verteilt. In der Nacht auf Montag sind die ersten 54 Asylsuchenden in der Stadtgemeinde Althofen eingetroffen. Untergebracht werden sie zunächst in Zelten, was immerhin ein Fortschritt gegenüber dem Schlafen unter freiem Himmel ist. Am Wochenende seien mehr Zelte als ursprünglich geplant errichtet worden, sagte der Bürgermeister: »Erst war von 35 Zelten für bis zu 280 Personen die Rede, geworden sind es aber 50 Zelte für bis zu 400 Personen.« Vorerst sollen in Althofen aber nur wie geplant 280 Geflüchtete untergebracht werden. Sie könnten in den nächsten Tagen aus dem Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in das erste Zeltlager in Kärnten gebracht werden, das auf Privatgrund errichtet wurde.
Die untragbaren Zustände in Traiskirchen riefen Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen auf den Plan. Am Montag unterrichteten sie das Innenministerium über ihre Einschätzung der Menschenrechtslage in Traiskirchen. Da die Gesamtsituation dort schlimmer ist als in manchen Flüchtlingslagern in der Türkei und im Libanon, ist das nur konsequent. Innerhalb der nächsten Tage soll ein Bericht von Amnesty International veröffentlicht werden.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) ist mit der Situation unzufrieden, jedoch nicht weil die Zustände in Traiskirchen eine Schande wären, sondern weil sie meint, der Standard bei der Unterbringung von Geflüchteten müsse gesenkt werden. So sollen künftig beispielsweise eine Toilette und eine Dusche für 20 Personen zur Verfügung stehen statt bislang für zehn Personen. Da bereits die derzeitigen Standards nicht eingehalten werden, ist das eine zynische Forderung. Vielleicht sollen die Menschen demnächst nicht einmal mehr auf dem schönen österreichischen Rasen schlafen dürfen.

Am Sonntag hetzten in der steirischen Gemeinde Fehring rund 50 Anhänger der »Identitären Bewegung« gegen die Schaffung eines Asylverteilerzentrums für 150 Personen. Besonders viel konnte man von deren Reden aber nicht hören. Pfarrer Christoph Wiesler tat sein Bestes, die Hetze mit Glockengeläut zu übertönen.
Das Problem der Flüchtlingsunterbringung beherrscht die Innenpolitik und auch den Wahlkampf in Wien und Oberösterreich, was für Geflüchtete erfahrungsgemäß selten gut ist. In Wien wird am 11. Oktober gewählt und in Oberösterreich am 27. September. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kandidat der FPÖ, Heinz-Christian Strache, aus diesen Wahlen als Sieger hervorgeht und die Rechten die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) überholen.
Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Deutschland und Österreich ist, dass die Österreicherinnen und Österreicher in Scharen rechts­extreme und rechtspopulistische Spinner wählen, was die Deutschen weniger tun. In Deutschland zieht man es vor, Asylheime anzuzünden.

Um Geflüchtete schnellstmöglich wieder loszuwerden, zeigt Österreich einen hohen Grad an Kreativität. Die Slowakei ist nun dazu übergegangen, Geflüchtete aus Österreich zu beherbergen. Während der Asylantrag in Österreich gestellt und geprüft wird, werden die Antragsteller in die Slowakei gebracht und warten dort auf eine Entscheidung. Dumm nur, dass viele in der Slowakei noch weniger Lust auf Geflüchtete haben als die Österreicherinnen und Österreicher. 500 Antragsteller sollen in der slowakischen Gemeinde Gabčíkovo mit 5 000 Einwohnern untergebracht werden. Dort gibt es großen Widerstand der Bevölkerung dagegen, Geflüchtete aus Österreich zu übernehmen. In einem Referendum in der Gemeinde haben sich 97 Prozent gegen die Unterbringung auf dem Gelände der Technischen Universität ausgesprochen.
Die slowakische Regierung unterstützt rhetorisch den rassistischen Konsens der Einwohner Gabčíkovos, will aber an dem Plan festhalten. Man könne das Ergebnis der Volksabstimmung in der slowakischen Gemeinde verstehen, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Innenministeriums. Es spiegele »Befürchtungen wider, die die ganze Slowakei teilt«. Daher habe sich die Regierung auch gegen eine verpflichtende Quote auf EU-Ebene gewehrt und lediglich der freiwilligen Aufnahme von 100 Christen aus Syrien über Resettlementprogramme der Uno zugestimmt. Zudem werde man vor Ankunft der Asylsuchenden aus Österreich »umfassende Sicherheitsmaßnahmen« vorbereiten, die der Bevölkerung von Gabčíkovo klar und deutlich erklärt werden würden.
Kritik kam aus der slowakischen Opposition. Die Ergebnisse des Referendums zu ignorieren, sei »unerhört«, erklärte Richard Sulik, Vorsitzender der neoliberalen Partei Freiheit und Solidarität (SaS), am Montag. Er schlug vor, die Asylsuchenden in leerstehenden ehemaligen Kasernen außerhalb von Ortschaften unterzubringen, wo man diese auch besser bewachen könne.