Pferdewurst und Putins Welpen

Sie stehen an den Zufahrtswegen und haben kleine Plastiktüten in den Händen. Darin befindet sich ihre Ware. Um diese an den Mann oder die Frau zu bringen, verfolgen sie unterschiedliche Strategien. Der eine zischelt leise »nur fünf Euro«, andere preisen die Ware laut an. Der Auftritt der älteren Herren von der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) erinnert ein wenig an die Jungs, die sonst auf der Straße stehen und Gras anbieten. Doch der Stoff, der hier angeboten wird, ist weit weniger berauschend – es gibt Solibuttons für das Pressefest der UZ zu erstehen. Die UZ, das ist Unsere Zeit, das Parteiorgan der DKP.
Ein paar Tausend alte deutsche Kommunisten, zusammen mit anderen Stalinisten und Leninisten aus fast allen europäischen Ländern, feiern das »Volksfest der Linken«. Sie zeigen ihre neuen Bücher und Broschüren. Dabei erklären sie, wieso es genau jetzt Zeit für den Sozialismus ist. Für den »echten Sozialismus« ist beim UZ-Pressefest übrigens kein Platz. Seit Jahren muss die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) ihren Stand vor den Toren des Revierparks aufbauen. DKP und MLPD sind darüber zerstritten, wer wirklich die Partei in der Tradition des von den Nazis ermordeten KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmanns ist und wie der »realexistierende Sozialismus« nach Stalins Tod im Jahr 1953 zu bewerten sei.
Alle zwei Jahre findet das Pressefest im Dortmunder Revierpark statt. Früher einmal muss es eine große Nummer in der linken Bewegung gewesen sein. Zumindest im Ruhrgebiet kann fast jeder über 50 eine Geschichte zu diesem linken Volksfest erzählen. Heute ist das nicht mehr so. Das Pressefest changiert irgendwo zwischen Realsatire, Kirchentag und Trödelmarkt für Lenins Werke. Kurioser Höhepunkt des diesjährigen Festes war zweifellos die »sozialistische Hochzeit«: Eine DKP-Genossin aus dem Saarland und ein Linkspartei-Mitglied aus Hamburg vermählten sich und setzten sich so auch ganz praktisch für die Bündnisarbeit der Realsozialisten ein. Die Hochzeitszeremonie leitete der Vorsitzende des »Freidenkerverbandes«.
Und die Inhalte des DKP-Festivals? Die antizionistische Tierrechtlerin Susann Witt-Stahl sprach über die Ukraine, auch Deutschland-Fan Diether Dehm trat auf. Ein ehemaliger Generalstaatsanwalt der DDR referierte zum Thema »Unrechtsstaat DDR?« . Männer in T-Shirts, die Wladimir Putin mit einem Hundewelpen im Arm zeigen, runden das Bild ab. Der Westen ist hier noch immer böse und Russland so gut, als wäre es noch immer die Sowjetunion – da ändert der gestandene Kommunist sein Weltbild nicht so schnell.
Das ist aber eigentlich egal. Zum UZ-Pressefest geht man nicht wegen der spannenden Diskussionen oder um gute Bücher zu kaufen. Hier ist man, um »Original bergische Pferdewurst« zu essen, Cuba Libre zu trinken und nachts um zwei Uhr, im Zelt der DKP Nordrhein-Westfalen, mit Achim Bigus Arbeiterlieder zu grölen. Dabei ist in der Regel niemand mehr nüchtern, und das ist wahrscheinlich auch eine Voraussetzung, um mitsingen zu können.
Am nächsten Morgen fühlt man sich, zusätzlich zum Kater, vielleicht ein wenig schmutzig. Wenn die Erinnerung kommt und plötzlich klar wird, dass Diether Dehm neben einem Ernst-Busch-Lieder mitgejohlt hat. Aber für ein paar Stunden war man Teil der ­revolutionären Bewegung. Rotfront! Und: Prost!