In »Denk ich an Deutschland in der Nacht« werden Star-DJs zu nahbaren Menschen

Mit das Beste an diesem Land

In »Denk ich an Deutschland in der Nacht« lässt Regisseur Romuald Karmakar Star-DJs zu nahbaren Menschen werden.

Ein Interview in geradezu kontemplativer Stimmung wird geschickt kontrastiert mit minutenlangen Sequenzen, in denen die Helden der Nacht bei der Arbeit begleitet werden. Mal sieht man sie im Studio tüfteln, viel häufiger aber beim Auflegen im Club. Mit »Denk ich an Deutschland in der Nacht« widmet sich Romuald Karmakar bereits zum vierten Mal der elektronischen Musikszene. Die Protagonisten seines Dokumentarfilms: Roman Flügel, Sonja Moonear, Ata und auch Ricardo Villalobos, über den Karmakar bereits 2009 einen Film gedreht hat.

Einerseits die Ausgelassenheit und Lautstärke im Club, wo es vor allem ums Feiern geht. Andererseits das Leben derer, die mit ihrer Musik die Party erst ermöglichen. Die DJs in diesem Film sind entspannt, fast in sich ruhend. Der Rhythmus jenseits der Tanzflächen ist anders. Karmakars filmische Gegenüberstellung erzeugt mehr als nur eine interessante Stimmung. Gewissermaßen setzt der Regisseur dort an, wo etwa Felix Denk und Sven von Thülen aufgehört haben.

In ihrem Buch »Der Klang der Familie« haben die beiden Autoren eindrücklich nachgezeichnet, wie anonyme DJs, die nicht minder wild feierten als die Meute auf der anderen Seite der Plattenspieler, schrittweise zu Stars aufstiegen. Karmakar holt sie zurück und stellt mit seinen Aufnahmen Nähe her. Dass dieses Konzept funktioniert, liegt nicht zuletzt daran, dass Karmakar bei der Auswahl seiner Protagonisten ein gutes Händchen bewiesen hat.

Der Filmtitel ist ein geflügeltes Wort. »Denk ich an Deutschland in der Nacht« entstammt dem Eingangsvers von Heinrich Heines Gedicht »Nachtgedanken«. Aber der Satz war auch viele Jahre ein beliebter Spruch in antifaschistischen und antirassistischen Kreisen. Am prominentesten verwendet wurde er zuletzt in dem Song »Adriano« von Brothers Keepers. Dort stellt der Rapper Torch diese Worte in direkten Zusammenhang mit dem Mord an Alberto Adriano, der im Juni 2000 in Dessau von Neonazis totgeprügelt wurde. Karmakar hingegen, der als Sohn einer Französin und ­eines Iraners in Griechenland und Deutschland aufgewachsen ist, bezieht seinen Filmtitel auf die langen Nächte in deutschen Clubs.

Dass Karmakar das Zitat auf seine Weise verwendet, mag man angesichts der Alltäglichkeit von rechter und rassistischer Gewalt unpassend finden. Andererseits assoziieren viele junge Menschen überall auf der Welt Deutschland weniger mit der AfD und Pegida als mit dem Tresor und dem Berghain. Vor allem Berlin ist für sie zu einem Sehnsuchtsort geworden, an dem es keine Sperrstunde gibt, die Drogen erschwinglich sind und das Wochenende sieben Tage hat. Und warum auch nicht? Techno, das ist sicher mit das Beste an diesem Land.

Denk ich an Deutschland in der Nacht (D 2017): Regie: Romuald Karmakar. Filmstart: 11. Mai