Autoritäre Klimaskepsis
Sogenannte Klimaskeptiker zitieren gerne aus dem Buch »Die kalte Sonne – Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet« des ehemaligen Hamburger Umweltsenators und derzeitigen Vorsitzenden der »Wildtier-Stiftung«, Fritz Vahrenholt. Dessen These: Die Klimaerwärmung sei nicht so schlimm wie von der Wissenschaft angenommen, darüber hinaus stelle die Sonne deren Hauptursache dar, nicht etwa der menschliche CO2-Ausstoß. Bei NPD, AfD und Libertären ist auch die Website des »Europäischen Instituts für Klima und Energie e. V.« (EIKE) beliebt. Weil Ökologie und Meteorologie für Laien überfordernd komplexe Denkschritte zwischen der Mikro- und Makroebene beinhalten, kann solche »Klimaskepsis« mit wissenschaftlichem Anstrich bei jenen gebildeten autoritären Charakteren verfangen, die ihre Verschwörungstheorien gerne mit ein paar Fußnoten und Statistiken untermauert sehen.
Zu bürgerlicher Naturfeindschaft und Sozialdarwinismus gesellt sich im rechten und rechtsextremen Milieu der Hass auf vermeintliche Eliten, die gezielt »Panikmache« betrieben, um den »autoritären Staat« auszudehnen – ein imaginary foe ganz im Sinn des kritischen Theoretikers Leo Löwenthal. Als Projektionsziel haben die »Klimaskeptiker« die einzige Partei ausgewählt, die dem konservativ-autoritären Deutschland immerhin einige bürgerrechtliche Fortschritte abgerungen hat: die Grünen. Daher gehört zum rechten Ressentiment gegen »linksgrünversiffte Ökos« zuverlässig der Hass auf die Emanzipation von Homo- und Transsexuellen sowie Frauen.
Die autoritäre Wut auf die Grünen teilen aber auch nicht wenige Liberale und Marxisten. Hier dominieren drei Behauptungen: dass die Natur der Feind sei (wegen Mücken, Tigern und Krebs); dass die Welt auf einem sehr guten Weg und Kritik überflüssig sei; dass die Zivilisation mal durch Roboter, mal durch stalinistische Naturbeherrschung, mal durch die unsichtbare Hand des Marktes über alle Naturzwänge obsiegen werde.
Das propagandistische Element der »Klimaskepsis« aller Seiten lässt sich daran erkennen, dass ihr die Offenheit des Zweifels fehlt und sie nicht zur Differenzierung zwischen destruktivem Greenwashing (Palmöl, Elektroautos, Gentechnik) und realen ökologischen Krisen fähig oder gewillt ist. Es handelt sich vielmehr um die narzisstische Manie einer pseudoinformierten Minderheit, die meint gegen eine globale Verschwörung von Wissenschaftlern anzukämpfen. Auf Seiten der Rechten dient die abgeklärte Beruhigung über tatsächliche Krisen dazu, den Hass auf leichter verfolgbare Primärziele zu lenken. Für die Stalinisten gilt Ökologie als reformistische Konkurrenz, die Liberalen wollen Luxus ohne Sorgen. Mancher bezieht sich sogar auf eine gründlich falsch verstandene Dialektik der Aufklärung nach Adorno und Horkheimer und bringt die Naturfeindschaft als antifaschistischen Agitprop hervor. Wie rechte Soziologen Gesellschaft einem manipulierten Bild von schlechter Natur gleichmachen wollen, wird in dieser Variante Natur der schlechten Gesellschaft gleichgemacht.
Raubbau steigert sich mit dem Bedürfnis nach Rationalisierung und Akkumulation. Weil die Revolution ausbleiben wird, ist auch eine marxistische Ökologie zwangsläufig auf Reformismus verwiesen: an dezimierter Artenvielfalt und Produktionsmitteln retten, was zu retten ist, und die systemischen Ursachen der durch anthropogene Klimaerwärmung verursachten Verluste an Menschenleben in pessimistischer Schwärze benennen. Ökologie als Wissenschaft erzeugt ein kosmopolitisches Verständnis von Interdependenz, das einem differenzierten Verständnis von Vermitteltheit in der Ökonomie zugutekommt. Ein reifer Naturbegriff kennt nicht den übersteigerten Ekel, keinen Vernichtungshunger gegen Ratten, Spinnen und Kraken. Naturfeindschaft hingegen ist die Voraussetzung dafür, dass Triebe und Menschen als »nieder« abgewertet, abgespalten und zur Vernichtung ausgeschrieben werden.