Die AfD umwirbt im Wahlkampf ganz offen Rechtsextreme

Der rechte Platz für solche Leute

Offiziell distanziert sich die AfD von rechtsextremen Tendenzen. Wer diese in der Partei erkennen lässt, hat jedoch wenig zu befürchten.

»Solche Leute haben in der AfD nichts zu suchen«, antwortete Parteisprecherin Frauke Petry jüngst dem Spiegel auf die Frage nach rechtsextremen Tendenzen in der Partei der Populisten. Auf dem »Russland-Kongress« der AfD Sachsen-Anhalt hatte ein Referent auch Angehörige der Waffen-SS gelobt, in Chat-Gruppen hatten Mitglieder die »Erweiterung der Außengrenzen« gefordert.

Von Beispielen wie diesen ist fast täglich zu lesen. Nach Recherchen des Südwestrundfunks hat Hardi Schumny, der Finanzvorstand der »Christen in der AfD« (ChrAfD), die NPD Saar im Jahr 2009 mit einer Geldspende unterstützt. Und an der für den 17. September im niederländischen Enschede angekündigten Demonstration des Hogesa-Ablegers »Gemeinsam sind wir stark« soll nach Angaben der Veranstalter auch die stellvertretende Vorsitzende der AfD in Rheinland-Pfalz, Christiane Christen, teilnehmen. Für das musikalische Begleitprogramm wird laut Ankündigung die Band »Kategorie C« sorgen, die der rechtsextremen Hooligan-Szene zugeordnet wird.
Dass sich »solche Leute« nicht nur an der Basis oder in der B-Prominenz der AfD finden, zeigt das kontinuierliche Agieren von Petrys Amtskollegen und Intimfeind Jörg Meuthen. Am kommenden Samstag werden der Parteisprecher Meuthen und Alexander Gauland wie schon 2016 gemeinsam mit Björn Höcke vom AfD-Landesverband Thüringen auf dem »Kyffhäuser-Treffen« auftreten. Zum dritten Mal treffen sich hier die Unterzeichner der »Erfurter Resolution«, des Grundsatzpapiers der von Höcke und dem sachsen-anhaltinischen Landesvorsitzenden André Poggenburg im März 2015 gegründeten Parteiströmung »Der Flügel«. Dieser versteht sich ausdrücklich als »Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands«.

Bemerkenswert an diesem wiederholten Richtungstreffen führender AfD-Politiker ist die Tatsache, dass gegen Höcke im Frühjahr ein Parteiausschlussverfahren angestrebt wurde. Dass die Gruppe um Petry in ihrem Antrag gegen den »Flügel«-Gründer Höcke diesem der FAZ zufolge eine »übergroße Nähe zum Nationalsozialismus« unterstellte, lässt Meuthen und Gauland, der neben Alice Weidel der Spitzenkandidat der AfD für die Bundestagswahlen ist, offenbar unbekümmert. Angekündigt wird neben »Flügel«-Mitgründer André Poggenburg auch Andreas Kalbitz. Er ist ein ehemaliges Mitglied der Republikaner und hat erst Ende Oktober 2015 nach öffentlichem Druck den Vorsitz des als rechtsextrem kritisierten Vereins »Kultur und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit« niedergelegt. Ein weiterer Redner ist Hans-Thomas Tillschneider, der für die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzt. Der Vordenker der »Patriotischen Plattform« ist durch seine Sympathiebekundungen für Pegida und die Identitäre Bewegung bekannt geworden.

Auch wenn Höckes Hausmacht weitgehend auf Thüringen begrenzt ist, bestimmt er durch seine Provokationen weiter die innerparteiliche Debatte. Im Januar hatte Höcke gegen die »Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland gewettert und eine »erinnerungspolitische Wende um 180 Grad« gefordert. Doch gemessen an den weiteren Vorwürfen nahm sich die umstrittene Dresdner Rede fast noch harmlos aus. Entscheidend für das Verfahren gegen Höcke war zum einen seine Teilnahme an einer Nazidemonstration gegen den »Bomben-Holocaust« in Dresden im Februar 2010. Zudem hatte der Publizist Andreas Kemper zahlreiche Indizien für den Vorwurf zusammengetragen, dass Höcke unter dem Pseudonym »Landolf Ladig« einschlägige Artikel für rechtsextreme Zeitungen wie Volk in Bewegung geschrieben hat. Inzwischen hat der Herausgeber des Blattes, der Kameradschafter und NPD-Politiker Thorsten Heise, zwar die Anschuldigungen gegen Höcke zurückgewiesen. Aber angesichts der Dichte der von Kemper gesammelten minutiösen Belege, die auch in den im April vorgelegten Ausschlussantrag aufgenommen wurden, wirkt dies wie ein taktisches Manöver.

Dass Gauland und Meuthen angesichts dieser parteioffiziellen Anschuldigungen weiter öffentliche Bündnisse mit Höcke eingehen, verdeutlicht den Charakter der AfD als Partei auch für die extreme Rechte. Ohnehin ist Populismus in erster Linie eine rhetorische Technik und Form der politischen Ansprache, die sich als »wahre« Stimme eines als homogen gedachten »Volkes« darstellt. Ideologisch ist der Populismus – wie international auch die Wandlung des Front National zeigt – nicht festgelegt. Gauland ist Fürsprecher eines Sozialpopulismus, der mit Mindestlohnforderungen auch die Lohnabhängigen umwirbt. Alice Weidel und Jörg Meuthen kommen aus der Tradition eines autoritären Neoliberalismus, der auf Deregulierung setzt. Höcke ist ein prominenter Vertreter des in Ostdeutschland sehr erfolgreichen Sozial- und Identitätspopulismus, der unter Losungen wie »Sozial, ohne rot zu werden« auftritt. Ein erfolgreiches Parteiausschlussverfahren gegen ihn wäre auch das Ende der AfD als Wahlpartei für Professoren und Prekäre.

Björn Höcke ist ein prominenter Vertreter des in Ostdeutschland sehr erfolgreichen Sozial- und Identitätspopulismus, der unter Losungen wie »Sozial, ohne rot zu werden« auftritt.

Nichts deutet derzeit aber darauf hin, dass das Verfahren überhaupt vorangetrieben wird. Überprüfbare Informationen zum Stand der Dinge legt die Partei derzeit nicht vor. Das hat Methode: Schon gegen den baden-württembergischen Abgeordneten Wolfgang Gedeon, dessen antisemitische Schriften im Juni 2016 zur zeitweisen Spaltung der von Meuthen geführten AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag führten, wurden Ordnungsmaßnahmen angekündigt. Offenbar war auch dies ein plumpes Täuschungsmanöver. Noch Ende Juli 2017 legte Gedeon das Strategiepapier »Die Partei muss sich von Grund auf erneuern« vor, in dem er in bekannter Manier gegen die »zionistischen Elemente« auch in der AfD polemisiert. Am Kölner Bundesparteitag im April hatte Gedeon als Delegierter teilgenommen. Auch Josef Dörr, der Vorsitzende des wegen rechtsextremer Tendenzen umstrittenen Landesverbands der AfD im Saarland, musste entgegen anderslautenden Ankündigungen keine Konsequenzen fürchten. Ende Juni wurde Dörr als Landesvorsitzender wiedergewählt.

Vor der Bundestagswahl am 24. September ist deutlich, über welches Personal die AfD von der Spitze bis zur Basis verfügt – und welche Bündnisse führende Funktionäre wie Gauland oder Meuthen eingehen. Auf dem diesjährigen Kyffhäuser-Treffen wird vor allem die Rede Gaulands zeigen, welcher Tonfall im Bundestag künftig rechts von der Union zu erwarten ist. Einen Vorgeschmack bot der frühere CDU-Politiker auf einer Wahlkampfveranstaltung im thüringischen Eichsfeld am vergangenen Wochenende. In Erwiderung auf die stellvertrende SPD-Vorsitzende und Staatsministerin Aydan Özoğuz, die gesagt hatte, eine »spezifisch deutsche Kultur« sei, »jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar«, wetterte Gauland der FAZ zufolge: »Das sagt eine Deutsch-Türkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.«
Höckes »Flügel« fällt stets durch ein unfreiwillig komisches Pathos auf. Schon der nationalmythologisch aufgeladene Veranstaltungsort direkt am Kyffhäuser-Denkmal spricht Bände. Errichtet wurde es Ende des 19. Jahrhunderts zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. Einer Sage zufolge schläft im Kyffhäuser zudem Kaiser Friedrich I., auch Barbarossa genannt, und wird zurückkehren, um Reich und Volk zu erlösen. Höckes Gegner in der Partei verhehlen nicht ihren Eindruck, dass dieser sich offenbar in der Rolle der Reinkarnation eines »Friedenskaisers« gefällt. »Egomanische Ausfälle«, die »in eine Ich-Orgie« münden, zelebriere Höcke nach Ansicht der Ausschlussbefürworter in seinen Reden, berichtet die FAZ. Zudem geriere sich Höcke als »Führer, der seinen Anhängern einen Weg weisen kann«. Dagegen wirken die Niederungen der Realpolitik arg profan. In seinen »Fünf Grundsätzen für Deutschland« klagt der »Flügel« über die Rolle der Bundeswehr: »Sie dient in der ganzen Welt fremden Interessen, während die hiergebliebenen Soldaten ihre Kasernen für Asylsuchende räumen und Toiletten in Erstaufnahmeeinrichtungen reparieren.«
Eine »handlungswillige politische Führung« fordert der völkische »Flügel«. Dessen Weggefährte Jörg Meuthen, der fälschlich oftmals zum »moderaten« Personal der AfD gezählt wird, war zwar schon mit der Führung seiner Landtagsfraktion überfordert. In ihren handlungsfähigen Momenten gab diese unter seiner Ägide aber die eigene Richtung im Kampf für eine »erinnerungspolitische Wende um 180 Grad« vor. Die AfD im baden-württembergischen Landtag forderte Anfang des Jahres die Streichung der Fördergelder für die NS-Gedenkstätte im französischen Gurs.

Auf dem »Kyffhäuser-Treffen 2017« wird sich die dominante rechte Allianz in der AfD zeigen. Während Frauke Petry – trotz ihrer völkischen Vorschläge und der Kooperation mit dem Front National – weiter für eine »bürgerliche« Politik wirbt, haben sich Meuthen und Gauland längst entschieden. Sie werden am Kyffhäuser »solche Leute« umwerben, vor denen die noch amtierende Parteisprecherin Frauke Petry offiziell warnt.