Guatemalas Präsident Jimmy Morales steht unter Korruptionsverdacht

Da vergeht ihm das Lachen

Guatemalas Präsident Jimmy Morales wird Korruption vorgeworfen, Hunderttausende Menschen gingen gegen ihn auf die Straße.

»Ni corruptos, ni ladrones« (Weder Korrupte noch Diebe). Das stand auf vielen Plakaten bei der Demonstration in Guatemala-Stadt am Mittwoch vergangener Woche, an der sich rund 200 000 Menschen beteiligten. Sie beziehen sich auf einen Slogan des seit dem vergangenen Jahr amtierenden Präsidenten Jimmy Morales, der in seinem Wahlkampf 2015 behauptet hatte, er sei »weder korrupt noch ein Dieb«. »Die Menschen sind extrem sauer«, kommentiert Michael Mörth die Proteste. Morales sei wegen dieser Aussage gewählt worden, »nun stellt sich heraus, dass er mit beiden Beinen tief im Korruptionssumpf steckt«, so Mörth. Der deutsche Anwalt arbeitet seit 21 Jahren in Guatemala und gehört einer Anwaltskanzlei an, die sich auf Menschenrechtsverstöße spezialisiert hat.

Dass Morales ebenfalls korrupt ist, hat kürzlich das Onlinemagazin Nómada nachgewiesen. Es veröffentlichte Fotos von Schecks, die belegen, dass der Präsident Guatemalas 50 000 Quetzales (umgerechnet 5 700 Euro) von der Armee als Unterstützung erhalten hatte, um die Verteidigung seines Sohnes und seines Bruders zu bezahlen, denen Korruption vorgeworfen wird. Diese Art Unterstützung ist illegal, und obgleich der Präsident das Geld zurückgegeben hat, hat er in Guatemala einen schweren Imageschaden erlitten. Nicht nur in Guatemala-Stadt, sondern auch in vielen anderen Städten wurde in den vergangenen Tagen gegen ihn demonstriert.

 

»Marionette des Militärs«

Die Empörung ist groß, viele Menschen haben keine Scheu, vor die Kamera zu treten und ihren Unmut über das politische System und die tiefverwurzelte Korruption kundzutun. »Es wird Zeit, dass die Menschen endlich mit dem Kopf wählen und nicht mit dem leeren Magen oder der Brieftasche«, ereifert sich eine Frau in einem Video, das auf der Homepage von Comunicarte zu sehen ist, einer kritischen Kulturorganisation. Sie spricht vielen Guatemaltekinnen und Guatemalteken aus der Seele. »Ja, es ist ein Risiko, hier öffentlich unter den Augen der Polizei zu sprechen, eventuell gefilmt zu werden. Wer weiß, was mir morgen passiert, aber man muss den Mund aufmachen«, fährt die Frau fort, die auch ein großes Plakat trägt, auf dem sie den Präsidenten Jimmy Morales zum Rücktritt auffordert und ihn als Marionette des Militärs bezeichnet.

Kritik an ihm gab es bereits früher, etwa von der bekannten Menschenrechtlerin Claudia Samayoa. Doch viele Menschen in Guatemala waren 2015 nach der Aufhebung der Immunität des damaligen Präsidenten Otto Pérez Molina, gegen den es Korruptionsvorwürfe gab, so begeistert von dem zwar politisch unerfahrenen, aber nicht zum Establishment gehörenden Fernsehkomiker Morales, dass sie in ihn all ihre Hoffnung setzten. »Ohne darauf zu achten, wer hinter ihm steht, denn seine Partei ist eine von ehemaligen Militärangehörigen gegründete Interessenorganisation. Gegen deren Gründer wird wegen massiver Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs ermittelt«, so Mörth. Der Bürgerkrieg dauerte von 1960 bis 1996 und kostete etwa 150 000 bis 200 000 Menschen das Leben, die zumeist Massakern der Armee und rechter paramilitärischer Gruppen zum Opfer fielen.

Anfang September 2015 hatte die Internationale Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (CICIG) dem Parlament stichhaltige Beweise vorgelegt, die dazu führten, dass es die Immunität Pérez Molinas aufhob. Er sitzt nach wie vor im Gefängnis, der Prozess gegen ihn und seine korrupten Mitstreiter wird noch immer vorbereitet. Doch am Grundproblem des politischen Systems hat sich nichts Wesentliches geändert, denn die Parteien in Guatemala finanzieren sich immer wieder aus dubiosen Quellen. Das hat auch Jimmy Morales ins Straucheln gebracht. Unter seinem Vorsitz wurden 2015 rund 6,7 Millionen Quetzales (umgerechnet 752 000 Euro) von seiner Partei, des Frente de Convergencia Nacional (FCN-Nación), angenommen, deren Herkunft nicht klar deklariert ist, wie die Ermittlungen des CICIG belegt haben. »Die Ursünde der guatemaltekischen Demokratie ist die illegale Wahlkampffinanzierung«, sagte Iván Velásquez. Der ehemalige Richter, der in Kolumbien berühmt ist, weil er das Netzwerk zwischen paramilitärischen Gruppen und Politik aufdeckte, leitet seit Oktober 2013 die CICIG. In Guatemala ist er sehr populär, weil er gemeinsam mit Generalstaatsanwältin Thelma Aldana dafür gesorgt hat, dass die Justiz wieder an Ansehen gewonnen hat: Korrupte Richter wurden aussortiert, gegen korrupte Politiker wird ermittelt. Bei der Demonstration vom Mittwoch voriger Woche gab es etliche Plakate, auf denen Velásquez als Torero abgebildet war, der gegen den Stier der Korruption kämpft.

 

Keine Unterstützung von der US-Regierung

Ende August hatte Morales den Leiter der Antikorruptionsbehörde zur unerwünschten Person erklärt und ihn des Landes verwiesen, nachdem dieser und Aldana das Parlament aufgefordert hatten, die Immunität des Präsidenten aufzuheben. Das Verfassungsgericht entschied jedoch, dass die Ausweisung verfassungswidrig sei, und sicherte Aldana sowie den Vertretern der ­CICIG seine »bedingungslose Unterstützung« zu. Seither ist Morales in der Defensive, auch wenn am 11. September nur 25 der 158 Abgeordneten im Parlament für die Aufhebung seiner Immunität stimmten; 105 Stimmen wären nötig gewesen. 107 Abgeordnete stimmten gegen den Antrag. Sie gelten allesamt als korrupt und bei den Demonstrationen der vergangenen Wochen wurden immer wieder Puppen verbrannt, die Abgeordnete darstellten.

Entscheidend für die politische Zukunft von Morales war jedoch seine Reise in die USA, wo er sich Unterstützung für sein Vorhaben erhoffte hatte, Velásquez abzuberufen. Sowohl der US-Regierung als auch den UN gilt der ­CICIG-Leiter jedoch als der richtige Mann, bei der US-Regierung scheint Morales jeden Rückhalt verloren zu haben. »Das ist der Grund, weshalb er jetzt hier in Guatemala Allianzen mit den ultrakonservativen Viehzüchtern schmiedet. Zudem werden ihm Kontakte zur organisierten Kriminalität nachgesagt, weshalb die Angst umgeht, dass die Repression durch Polizei und Armee wachsen könnte«, sagt Mörth.

Dass Morales sich auf das Militär stützen kann, ist nicht erst durch den Scheck zur Bezahlung der Anwälte seines Bruders Samuel Morales und seines Sohns José Manuel Morales Marroquín belegt. Gegen die beiden hatte die CICIG im September 2016 ein Verfahren wegen fingierter Rechnungen des Restaurants »Fulanos & Menganos« angestrengt. Dessen Betreiber Gílmar Othmar Sánchez Herrera gilt als einer der Finanziers des FCN-Nación. Dass gegen einige Gründer der Partei Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen im Bürgerkrieg laufen, gefällt den Militärangehörigen gar nicht.
Die Ermittlungen unter Generalstaatsanwältin Aldana haben internationalen Rückhalt – allen voran von den USA. Gegen die Ausweisungsverfügung für Velásquez gab es eine gemeinsame Erklärung der Vertretungen der USA, der EU, Deutschlands, Großbritanniens, Kanadas, Frankreichs sowie Spaniens. Sie hatten bereits am Auftakt des Sepur-Zarco-Gerichtsprozesses im Februar 2016 teilgenommen, bei dem es um die Verschleppung und Vergewaltigung von indigenen Frauen im Militärcamp Sepur Zarco 1981 ging und der als einer der wichtigsten Prozesse zu den Menschenrechtsverletzungen der Armee während des Bürgerkriegs gilt. Die internationale Unterstützung der Justiz sorgt in Guatemala dafür, dass viele sich trotz der Haltung der Armee und der Regierung gegen Korruption engagieren und demonstrieren. Die Angst, dass die bleiernen Jahren wiederkommen könnten, als das Militär das Land kontrollierte, besteht jedoch weiterhin.