In Honduras wird der autokratische Präsident höchstwahrscheinlich wiedergewählt

Sieg der Resignation

Bei den am Sonntag in Honduras stattfindenden Präsidentschafts­wahlen scheint der Sieger schon festzustehen: der autokratische Amtsinhaber Juan Orlando Hernández.

»In Honduras haben wir de facto keine freien Wahlen«, sagt Allan Fajardo. Sämtliche politischen Instanzen, die diese garantieren könnten, seien auf die Politik der Nationalen Partei von Honduras (PNH) eingeschworen. Der Soziologieprofessor mit Hornbrille und Ledermütze auf dem kahlen Kopf lacht spitzbübisch. »Das ist, als würde Bayern München alle Schiedsrichter der Saison stellen.« Am kommenden Sonntag finden die Präsidentschaftswahlen statt, der Amtsinhaber Juan Orlando Hernández von der PNH ist so gut wie konkurrenzlos.

Fajardo, einst politischer Berater der Regierung Manuel Zelayas, gegen die 2009 geputscht wurde, kennt die gängigen Wahlbetrugsstrategien in- und auswendig: die Umschichtung von Wählern auf Nachbarbezirke, um ungewollte Mehrheiten zu verhindern; der Raub von Wahlausweisen vor den Wahlen; das ratón loco (verrückte Maus) genannte Spiel, bei dem Wahlberechtigte erst im Wahllokal erfahren, dass sie nicht dort, sondern woanders registriert sind, etwa auf einer Insel in der Karibik oder in einem entfernten Bergdorf. »Schließlich ist auch der Kauf von Stimmen gerade in der armen Bevölkerung sehr verbreitet, für die 500 Lempiras, umgerechnet 25 US-Dollar, viel Geld sein kann«, so der Soziologe. Vor allem in Grenzgebieten werden Menschen aus den Nachbarländern nach Honduras geholt, um mit gefälschten Ausweisen wählen zu gehen. Der kolumbianische Hacker Andrés Sepúlveda berichtete 2016 aus dem Gefängnis heraus über die Beteiligung von Hackern am Wahlkampf in Honduras.

 

Eine Wiederwahl des Präsidenten ist verfassungswidrig

Auch die junge Partei des beliebten Sportreporters Salvador Nasralla, die Antikorruptionspartei (PAC), hat sich den Kampf gegen Wahlbetrug, Amtsmissbrauch und Korruption auf die Fahnen geschrieben. »Unsere Wahlkampagne ist es, den Wahlbetrug aufzudecken«, konstatiert der charismatische Fernsehmann mit den feinen Zügen und dem edlen Goldschmuck.

»Wir fordern, dass die Hochrechnungen transparent und abgeglichen sind, dass eingesetzte Computer von möglichen Stromausfällen unabhängig arbeiten, dass Software und Treiber offengelegt werden. Wahrscheinlich sind wir die einzige Partei in ganz Mittelamerika, die über genug technisches Wissen verfügt, um einem Wahlbetrug entgegensteuern zu können.« Doch der Oberste Wahlausschuss sei gekidnappt, der Wahlkampf scheine entschieden.

Vor allem in Grenzgebieten werden Menschen aus den Nachbarländern nach Honduras geholt, um mit gefälschten Ausweisen wählen zu gehen.

Hernández ist seit Januar 2014 Präsident. Er tauschte Richter des Obersten Gerichtshofs aus, um sich eine weitere Amtszeit zu ermöglichen, denn eine Wiederwahl des Präsidenten ist in Honduras wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern verfassungswidrig. Die einzige Möglichkeit wäre, die Verfassung dahingehend zu ändern; dazu müsste eine verfassunggebende Versammlung einberufen werden. Pikanterweise diente der Vorwurf, Zelaya wolle durch eine Volksabstimmung auf ein solches Ziel hinarbeiten, 2009 als Vorwand, um den linken Präsidenten aus dem Amt zu putschen.
»Die aus dem Widerstand gegen den Staatsstreich entstandene Bewegung versuchte mit der Partei Libre im Wahlkampf 2013 auf demokratischem Wege erneut ins Staatsamt zu kommen«, sagt Victor Meza. Es sei darum gegangen, eine umfassende soziale und politische Neuorientierung des Landes herbeizuführen, so der ehemalige Innenminister, der mittlerweile als politischer Analyst arbeitet. »Die Chancen standen gut, denn sämtliche sozialen Bewegungen des Landes, bis hin zu schwergewichtigen Unternehmern, vereinten sich, um zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit als Minimalkonsens zurückzukehren.« Doch das Vorhaben scheiterte. Die Nationale Partei gelangte an die Regierung und Hernández konzentrierte alle Macht auf sich. Währenddessen verschlechterte sich die ökonomische und soziale Lage im Land.

 

Das Gesamtbild vor den Wahlen ist fatal

Wer sich für demokratische, soziale und Menschenrechte einsetzt, muss mit Kriminalisierung und gewalttätigen Angriffen rechnen, die tödlich enden können. Honduras ist das weltweit gefährlichste Land für Umweltschützer geworden, wie ein Bericht von Global Witness von Anfang des Jahres zeigt. Seit 2010 wurden demnach mehr als 120 Menschen umgebracht. Sie wehrten sich unter anderem gegen Bergbau- oder große Energieprojekte, die oft im Zeichen der sogenannten Green Economy standen. Armut und soziale Ungleichheit haben in Honduras zugenommen und zwingen jährlich Hunderttausende zur Emi­gration in Richtung USA.

»Am schwersten wiegt allerdings die Straflosigkeit, die die gesamte Bevölkerung, Wirtschaft und Politik betrifft und die Zahl der Morde an Frauen und Hassmorde an LGBTI explodieren lässt«, sagt Meza. Die Wiederwahl des Präsidenten bedeute die Wiederwahl einer gescheiterten Politik. Meza weist auch auf die von der New York Times vermutete Verbindung Hernández’ zum Drogenhandel hin. Nachforschungen der honduranischen Staatsanwaltschaft seien ausgeblieben.

Das Gesamtbild vor diesen Wahlen, die längst entschieden scheinen, ist fatal. Die Pressefreiheit ist enorm eingeschränkt. Am 23. Oktober wurde mit Carlos Lara der dritte Journalist in diesem Jahr in Honduras ermordet. Dem Fernsehsender Globo TV, der einzige, der während des Putsches die Meinungsfreiheit verteidigt hatte und damit zu einem der wichtigsten Medien im Land geworden war, entzog die staatliche Kommunikationsgesellschaft im vergangenen Jahr unter fadenscheinigen Gründen die Sendeerlaubnis. Globo TV war auch maßgeblich an der Aufdeckung des größten Korruptionsskandals um Präsident Hernández beteiligt. Dieser hatte im großen Stil Geld aus dem öffentlichen Sozial­sicher­ungs­sys­tem (IHSS) abgezweigt. Während im Nachbarland Guatemala der Präsident wegen eines ähnlichen Korruptionsskandals zurücktreten musste, geschah in Honduras nichts, obwohl auch hier die erzürnte Bevölkerung über Monate auf die Straße ging. Die mindestens 300 Millionen US-Dollar, die veruntreut wurden, sollen unter anderem für Hernández’ Wahlkampagne von 2013 ausgegeben worden sein.

 

Die EU legitimiert eine verfassungswidrige Wahl

Doch Hernández bleibt an der Macht. Er scheint auch den neuesten Skandal für seine Präsidentschaftskandidatur unbeschadet weggesteckt zu haben. Am 30. Oktober veröffentlichte die internationale Beratergruppe unabhängiger Experten (Gaipe), die den Mord an der Umweltschützerin Berta Cáceres untersuchte, ihren Bericht. Aus diesem geht eindeutig hervor, dass hinter dem Mord an Cáceres im März 2016 nicht nur die Staudammfirma DESA, sondern auch Militär und Polizei standen. Von staatlicher Seite seien Tatsachen vertuscht und die Ermittlungen zu der mittlerweile 20 Monate zurückliegenden Tat vereitelt worden, so Gaipe.

Fabricio Estrada, ein oppositioneller Dichter im selbstgewählten Exil in Puerto Rico, ist rechtzeitig zur Wahl nach Honduras zurückgekehrt. »Es gibt keinen Kampfgeist und keine geschlossene Bewegung in der Bevölkerung, um gegen etwas anzugehen, das im Voraus festzustehen scheint: die Wiederwahl von Juan Orlando Hernández. Die Möglichkeit des Auflehnens gegen ein letztes Beben, das aus 2009 resultiert, scheint auszubleiben«, schreibt er in seinem Blog.

Tatsächlich festigen die Wahlen die Machtstrukturen, die aus dem Putsch hervorgegangen sind, einmal mehr und garantieren der Bevölkerung erneut vier Jahre Autoritarismus und wirtschaftsliberalen Ausverkauf. Die Europäische Union unterstützt dies mit der Entsendung einer Beobachterkommission und legitimiert so die verfassungswidrige Wahl durch ihre Anwesenheit. Alles geht also seinen gewohnten Gang.