Die »Wir haben es satt«-Demonstration am Samstag hat zweifelhafte Forderungen

Ein besserer Bauernhof ist nicht käuflich

Auch in diesem Jahr demonstriert ein großes Agrar- und Umwelt­bündnis für eine »nachhaltige Landwirtschaft«. Über Konsum­empfehlungen und Bauernromantik kommt es dabei jedoch nicht hinaus.

Die Rollen sind klar verteilt: hier die gute nachhaltige Landwirtschaft, dort die böse Agrarindustrie. Zum insgesamt achten Mal wollen am kommenden ­Wochenende in Berlin einige Tausend Menschen unter dem Motto »Wir haben es satt – der Agrarindustrie die Stirn bieten« für eine »nachhaltigere« Landwirtschaft, gesundes Essen und art­gerechte Tierhaltung demonstrieren. Und vom »fairen Welthandel«, was ­immer das sein soll, wird ebenfalls häufig die Rede sein.

Manchmal sagen aber die Dinge, über die nicht geredet wird, mehr über solche Veranstaltungen aus, als vielen lieb ist. So wurde die Rede eines Mitglieds des Vereins Aktion 3. Welt Saar, die der Fixierung auf einen vermeintlich ­»fairen Konsum« sowie der Idealisierung der Natur und des bäuerlichen Lebens widersprochen hätte, erneut nicht ins Programm aufgenommen. Das Organisationsbündnis der Demonstration lehnte einen solchen Rede­beitrag bereits zum fünften Mal ab.

Die Aktion 3. Welt Saar ist eine von über 50 Organisationen des Trägerkreises dieses Agrar- und Umweltbündnisses. Ebenfalls dabei sind der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, der Naturschutzbund, Bauern- und Anbauorganisationen wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Bioland, Naturland, Hilfswerke wie Brot für die Welt und Misereor sowie Attac und selbstverständlich die Online-Spendensammler von Campact. Diese verteilten in den vergangenen Jahren immer Tausende ihrer Fahnen mit ­Organisationslogo an die Demonstrationsteilnehmer und ­erweckten damit den Eindruck, es handele sich um ihre Demonstration. Mit diesem Geschäftsprinzip spülen sie ­ordentlich Spendengeld in ihre Kassen.

Während der Auftakt- und Abschlusskundgebung werden über 20 Reden ­gehalten. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Beiträgen halten sich aber in Grenzen. Manche Personen und Organisationen haben ihr Rederecht offenbar auf Lebenszeit gepachtet. Während das Großbündnis ansonsten zu Recht das Postulat »Vielfalt ernährt die Welt« aufstellt, erlaubt es sich in den eigenen Reihen wenig inhaltliche und personelle Vielfalt.

Die individuelle Konsumentscheidung gilt nicht nur in Redebeiträgen als politische Handlung. Organisationen und Redner rufen zum Kauf regionaler Produkte und von Erzeugnissen aus »fairem Handel« auf. Anders einkaufen, dann wird der Welthandel irgendwie »fairer«. Das klingt verlockend, da es einem die mühsame Auseinander­setzung mit der unangenehmen Realität erspart, und verfängt bei Partei­politikern und Vertretern von NGOs ebenso wie bei den Zuhörern auf der jährlichen »Wir haben es satt«-Demonstration. Denn die Argumentation hat den unschätzbaren Vorteil, dass man sich nicht politisch oder gar ökonomisch tiefergehend mit Fragen der Landwirtschaft beschäftigen muss. Salopp formuliert: Man muss nicht dahin gehen, wo es weh tut. Stattdessen kann man sich sogleich, fernab jeder Theorie, dem Primat der Praxis hingeben und als Experte präsentieren, so als sei eine bessere Welt im Regal käuflich. Daraus resultiert die Popularität dieser Masche.

Ideologisch untermauert und rhetorisch verziert wird dieser »politische Ansatz« von Heerscharen von Ideologieproduzenten, wie sie bei vielen NGOs tätig sind und Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag und Stunde für Stunde Texte, Unterrichtseinheiten sowie die beliebten Power-point-Präsen­tationen und Youtube-Filme produzieren, in denen die These vom »politischen Konsum« immer wieder durchgenudelt wird.

Die Stichworte für das politische Klappern wie für das Schreiben von Projektanträgen lauten: fairer Handel, Nachhaltigkeit, Bildung für nachhaltige Entwicklung, globales Lernen, Vernetzung, Empowerment und Praxis, Praxis, Praxis. Dabei lässt sich der Praxistest leicht durchspielen: Wäre eine bessere Welt durch Konsumentscheidungen herbeizuführen, dann müsste es sie längst ­geben angesichts all des »fairen Handels« und regionalen Einkaufens, wie es in Deutschland seit Jahren betrieben wird.

Ähnlich beliebt wie individuelle Konsumentscheidungen sind bei NGOs und manchen Parteipolitikern romantische Vorstellungen vom Bauernhof und von dem, was Bauern tun. Oftmals interessieren sich die Freunde der »nachhaltigen Landwirtschaft« wenig für die realen Bauern in ihren Ställen und auf ihren Äckern.

Sie präsentieren stattdessen einen Wunschzettel, wie sie die Landwirtschaft gerne hätten: klein und nett, viel bio, weil konventionell ja böse ist, viele freilaufende ­Tiere, am besten pro Hof zehn Tierarten und 20 Ackerfrüchte, ein paar Kühe, ein paar Schweine und Hühner dürfen auch nicht fehlen, dann klappt es auch mit dem Bauernhof als Streichelzoo für Kinder. Andere sind gar für eine vegane Landwirtschaft ganz ohne Tiere.

In einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft sollen Bauern also den ­romantischen Vorstellungen von NGOs genügen. Ein Melkroboter für Milchbauern hat in diesen Phantasien keinen Platz, handelt es sich bei ihm doch um ein Werkzeug der Agrarindustrie. Während die Freunde der »nachhaltigen Landwirtschaft« selbstverständlich mit Smartphones unterwegs sind, gestehen sie Bauern die Nutzung dieser Technik nur ungern zu.