Frankreich plant ein Gesetz gegen die Verbreitung von Falschmeldungen

Kein Pardon für Fake News

Seite 2 – Pressefreihet unter Druck

 

Wesentlich fundiertere Kritik üben Medienvertreter an Macrons Gesetzesvorhaben. Zahlreiche Kommentatoren betonen, dass es bereits eine gesetzliche Handhabe gegen Falsch­informationen gibt – das Gesetz zur Pressefreiheit, das 1881 in Kraft trat und regelmäßig überarbeitet wird. Es erlaubt der Staatsanwaltschaft nach Artikel 27 gegen die Urheber erwie­sener Falschinformationen die Strafverfolgung einzuleiten, wenn diese »den öffentlichen Frieden stören oder dazu geeignet sind«. Diese Bestimmung kommt jedoch selten zur Anwendung. Ferner erlaubt Artikel 29 den Opfern übler Nachrede, Strafanzeige zu erstatten. Allerdings gibt es bislang keine gesetzliche Handhabe gegen die Verbreitung von ­Informationen, die lediglich falsch sind, ohne jemanden persönlich zu beeinträchtigen oder den öffentlichen Frieden aus Sicht der Staatsanwaltschaft zu stören. Das Wahlgesetz erlaubt ferner – jedenfalls theoretisch – die Anfechtung von Wahlen, falls diese durch falsche Nachrichten beträchtlich beeinflusst wurden.

Andere gesetzliche Instrumente gegen Falschbehauptungen gibt es nicht. Allerdings wäre es auch ausgesprochen heikel, an diesem Punkt gesetzgeberisch nachzuhelfen. Pascal Froissart, Medienwissenschaftler an der Universität Paris 8, warnt davor, den Staat darüber urteilen zu lassen, was historisch und politisch als wahr oder unwahr zu gelten habe. Bis heute wisse man beispielsweise nicht mit Gewissheit, ob Napoléon I. nun vergiftet wurde oder nicht. Ähnlich sieht es auch der konservative Spitzenpolitiker Bruno Retailleau, der ­sagte: »In einer Demokratie ist eine falsche Information besser als eine verstaatliche Information.« Es ist allerdings fraglich, ob der Konservative die präsidiale Initiative genauso sähe, wenn seine Parteifreunde derzeit an der Regierung wären und nicht jene Macrons. Umgekehrt unterstützt der zum moderaten Flügel der Konservativen zählende ehemalige ­Premierminister Alain Juppé den Vorschlag des amtierenden Präsidenten.

Die Pressefreiheit stand in jüngerer Zeit allerdings noch von anderer ­Seite unter Druck. Der Linksnationalist und frühere Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon ist seit längerem für polternde Ausfälle ­gegen Journalisten bekannt. In der Talkshow »L’Emission politique« am 30. November sah er sich mit zahlreichen Kritikern konfrontiert und war offenbar überfordert. In Rage brachte ihn unter anderem ein Wortgefecht mit der Schriftstellerin ­Laurence Debray. Die Tochter des ehemals linken Schriftstellers Régis ­Debray und einer ehemaligen venezolanischen Kommunistin ist eine ­entschiedene Liberale, die das Regime in Venezuela scharf verurteilt. ­Mélenchon gilt als eher unkritisch gegenüber der Politik von Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro.
Sowohl während der Sendung als auch danach beschwerte sich ­Mélenchon über die Auswahl seiner Gesprächspartner und forderte ein »Tribunal professionnel«, eine Art Standesgericht, das über ethische Verstöße von Journalisten urteilen solle. Diese nannte er »die Lügner, die Schwindler, die Gaukler« und meinte damit durchaus auch die Sendeleitung.

Inzwischen hat er präzisiert, er meine kein Gericht, sondern vielmehr einen »journalistischen Ethik­rat«, der sich aus Mitgliedern der Berufsgruppe der Journalisten sowie an­derer gesellschaftlicher Gruppen zusammensetzen soll. Im Zuge der ­Debatte über Macrons jüngste Pläne, die Mélenchon als Bedrohung der Pressefreiheit bezeichnet, brachte der linksnationalistische Politiker seinen Vorschlag erneut auf den Tisch. Der Rat sei eine vernünftige Alter­native zu Macrons Gesetzesvorhaben, da das von ihm vorgeschlagene ­Gremium nicht den Staat repräsentiere und eine staatsoffizielle Wahrheitspolitik vermeide.