Ein User im Internet verbreitet Verschwörungstheorien, die von Alt-Right-Anhängern in den USA begierig aufgegriffen werden

Q wie durchgeqnallt

Seite 2 – »Neues Pizzagate, nur gefährlicher«

 

So arbeiten mittlerweile Tausende Fans daran, die ihrer Meinung nach ganz klar die Wahrheit enthaltenden Q’schen Weissagungen zu entschlüsseln. Eines der Highlights der Qanon-Forschung war ein gelöschter Tweet von Donald Trump. Am Tag nachdem sich der Präsident der USA zum »sehr stabilen Genius« erklärt hatte, twitterte er einen ihn offenkundig begeisternden Auszug aus einem Artikel der New York Post über seine bisherige Amtszeit. Dabei zitierte er allerdings nicht ganz korrekt: Der Autor Michael Goodwin hatte die Trump’sche Präsidentschaft als »enormously consequential« (äußerst wichtig) bezeichnet, @realDonaldTrump machte daraus jedoch ein »enormously consensual« (äußerst einvernehmlich).

Das war, so waren sich die Q-Fans schnell ganz sicher, ein Zeichen. Schließlich komme in »consequential« ein Q vor und Trump habe ihnen damit signalisieren wollen, dass der anonyme ­Autor zumindest mit seiner Billigung Botschaften verbreite. Oder vielleicht auch in Wirklichkeit er selber sei.

Was abstrus und auch ein bisschen lustig klingt, hat sich allerdings zu ­einer realen Gefahr entwickelt. Das New York Magazine bezeichnete »the storm« Ende 2017 als »neues Pizzagate, nur gefährlicher«, denn die aktuellen Verschwörungstheorie enthalte alle Bestandteile der mittlerweile vielfach ­widerlegten Lüge von der Washingtoner Pizzeria, in der hochrangige, ausschließlich demokratische Politiker Kinder sexuell missbraucht hätten. In ­Umlauf gebracht wurden beide fake news von Alt-Right-Aktivisten.

 

Verschwörungstheorien sind in den USA schon längst ein anerkanntes ­politisches Kampfmittel.

 

Dass US-Rechte Anschuldigungen wegen Pädophilie mittlerweile gezielt nutzen, um politische Gegner zu diskreditieren, wies der New Statesman Anfang Januar nach. Das Model Chrissy Teigen und ihr Ehemann, der Musiker John Legend, wurden beispielsweise Ende 2017 Opfer einer solchen Kampagne. Die beiden Prominenten hatten im Wahlkampf Hillary Clinton unterstützt und sind daher bei der Alt-Right verhasst. Die Verschwörungstheoretikerin Liz Crokin entwickelte anhand einiger Fotos der Tochter von Teigen und ­Legend, die zu Halloween als Hot Dog und Alice im Wunderland verkleidet worden war, eine infame Kampagne: Unter den einschlägigen Hashtags wie #Qanon und #Thestorm postete sie, dass das Baby Pädophilen angeboten werde. Ihre Beweise dafür, dass das Paar »in Kreisen verkehrt, in denen Kinder vergewaltigt, ermordet und verkauft werden«, sind nicht nachvollziehbar – wurden aber von Q-Fans derart begeistert geglaubt und verbreitet, dass Teigen ihren Twitter Account wegen vielfacher Morddrohungen und Belästigungen vorübergehend schloss.

Verschwörungstheorien sind in den USA schon längst ein anerkanntes ­politisches Kampfmittel. So kursierte vergangene Woche eine Meldung, ­wonach es beim FBI eine Geheimgesellschaft gebe, die seit dem Wahlkampf im Verborgenen versuche, Trump zu diskreditieren, und aktiv an seiner ­Entmachtung arbeite oder vielleicht sogar seine Ermordung vorbereite. Publik gemacht hatte diese auch von Qanon verbreitete Story der republikanische Senator Ron Johnson, Tea-Party-Anhänger und Vorsitzender des Ausschusses für Homeland Security und Regierungsangelegenheiten. Eine geheime Quelle habe ihn über diesen Skandal unterrichtet, behauptete er und ließ sich um­gehend live von Fox News interviewen, wo das Thema zwei Tage lang die Schlagzeilen beherrschte.

Dann stellte sich heraus, dass die »secret society« ein Scherz zwischen zwei FBI-Angehörigen war, deren ­pri­vater E-Mail-Verkehr derzeit Bestandteil einer offiziellen Untersuchung ist; zuvor waren die beiden Clinton-Fans von Chefermittler Robert Mueller ­wegen möglicher Voreingenommenheit von den Ermittlungen gegen die Trump-Regierung freigestellt worden.

Fox News brachte die Auflösung des großen Skandals nicht. Dass die Anhänger von Verschwörungstheorien sie ohnehin nicht geglaubt hätten, zeigte sich bei CNN. Der Moderator Anderson Cooper zeichnete dort die Entstehung und Verbreitung des

Geheimgesellschaftsgerüchts minutiös nach – während unter dem Hashtag #Qanon auf ­Twitter höhnisch verbreitete wurde, dass sein Versuch, die Lüge zu entlarven, nur zeige, wie verzweifelt das Establishment über seine schwindende Macht sei, nun, wo das große Erwachen und »the storm« eingesetzt hätten. Manchen reichte das allerdings nicht; sie posteten dazu retuschierte Bilder, die beweisen sollen, dass Cooper Kinder missbrauche.