Die AfD bekämpft zivilgesellschaftlichen Pluralismus auch mit parlamentarischen Mitteln

Das parlamentarische Kampfmittel

Die AfD inszeniert sich im Berliner Senat als Verteidigerin der offenen Gesellschaft. Deren Pluralismus sieht sie durch die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen bedroht und stellt parlamentarische Anfragen, um diese zu diskreditieren.

Wohlfahrtsorganisationen, Bildungsträger, Sportvereine, Theater, demokratische Initiativen, Gewerkschaften, wissenschaftliche Institute und Gedenkstätten – sie alle sind der Berliner AfD ein Dorn im Auge. Mit schriftlichen Anfragen versuchen die AfD-Fraktionen im Abgeordnetenhaus und in den Bezirksparlamenten, Informationen über Finanzierung, Mitarbeiter und Strukturen zivilgesellschaftlicher Organisationen zu erhalten.

Im August richtete der AfD-Abgeordnete Thorsten Weiß eine Anfrage an den Senat mit 129 Fragen zum Thema »linksextremistische Netzwerke in Berlin«. Die Fragen betrafen mehr als 40 Organisationen und Vereine, die Liste ist umfassend. Sie reicht von der Amadeu-Antonio-Stiftung, über das Anne-Frank-Zentrum , den Deutschen Gewerkschaftsbund, die Werkstatt der Kulturen und den Fußballverein BSC Eintracht Südring bis zur Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit. »Sie haben irgendwann in irgendeiner Form Stellung für Vielfalt und Toleranz be­zogen, sich öffentlich gegen Rassismus bekannt, leisten Beratungs- oder Bildungsarbeit in diesen Bereichen, haben ein entsprechendes Selbstverständnis – und gerieten damit ins Visier der AfD«, sagt Peter Smolinski, der Sprecher des »Berliner Bündnis gegen rechts«, der Jungle World.

Der Berliner Senat fasste sich in seiner Antwort an die AfD kurz. Ihm lägen dazu keine Informationen vor, der Senat erhebe weder systematisch Daten zu Mitgliedschaften in Stiftungen, Vereinen oder Verbänden, noch würden personelle oder finanzielle Verbindungen zwischen diesen dokumentiert.

Das »Berliner Bündnis gegen rechts« betrachtet die parlamentarischen Anfragen der AfD als ein politisches Kampfmittel, um systematisch gegen zivilgesellschaftliche Gruppierungen vorzugehen, die nicht in eine Gesellschaft passten, wie die Partei sie sich wünscht. Das Bündnis wertete sämtliche AfD-Anfragen aus dem Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten in Lichtenberg, Neukölln und Spandau aus. Demnach waren mehr als 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen in den vergangenen zwei Jahren Gegenstand von Anfragen der AfD. »Die AfD nutzt damit ihre parlamentarischen Mandate, um alle, die sie als politische Gegner ansieht, einzuschüchtern und gegen sie vorzugehen«, sagt Smolinski. Auch wenn die AfD mit ihren Anfragen keine Zusammenhänge zwischen den betroffenen Organisationen und vermeintlichen Linksextremisten habe herstellen können, so trage der darin geäußerte Verdacht potentiell dazu bei, die Organisationen und ihre Arbeit ­öffentlich zu diskreditieren. Die Auswertung der Anfragen lasse sich insofern als eine Art Feindesliste der Berliner AfD lesen. Es würden Feindbilder geschaffen, um eine dafür empfängliche Klientel aufzuwiegeln. Die Partei trage dadurch eine Mitverantwortung für alle potentiellen Angriffe auf die betroffenen Gruppierungen und die dahinterstehenden Personen, schließt das »Bündnis gegen rechts« aus den Ergebnisse seiner Untersuchung.
Die Berliner AfD steht mit dieser Methode nicht alleine. In nahezu allen Parlamenten, in denen die AfD vertreten ist, versucht die Partei, Druck auf politische Gegner auszuüben.

In Sachsen-Anhalt stellte die AfD kürzlich 236 Fragen zum Verein »Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Welt­offenheit« an die Landesregierung. Auch der sachsen-anhaltinische CDU-Generalsekretär Sven Schulze hatte nach der AfD-Anfrage einen Förderstopp für den Verein gutgeheißen. Schulze twitterte dazu im Dezember vergangegen Jahres: »Zur Demokratie gehört genauso, dass man Wahlergebnisse respektiert, auch wenn sie einem nicht passen! Wenn der ­Verein ›Miteinander‹ dies anders sieht, muss man (…) darüber nachdenken, diesen Verein nicht weiter mit Steuermitteln zu unterstützen.«

Besonders interessiert zeigt sich die AfD bundesweit an Initiativen, die sich antifaschistisch engagieren. Staatliche Unterstützung für solche Initiativen durch Landesprogramme gegen Rechtsextremismus empfindet sie als einen Angriff auf den gesellschaftlichen Pluralismus. Wie die Recherchen des »Berliner Bündnis gegen rechts« zeigen, müsste ein Pluralismus, wie ihn sich die AfD wünscht, auf die Beiträge von mehr als 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen verzichten.