Die französische rechtsextreme Partei Front National bemüht sich um Anschlussfähigkeit

Die verlorene Ehre des Jean-Marie Le Pen

Mit einem neuen Namen und ohne den bisherigen Ehrenvorsitzenden Jean-Marie Le Pen soll der rechtsextreme Front National in Frankreich hoffähig gemacht werden.

Eine Ära geht unwiederbringlich zu Ende. Der Altfaschist Jean-Marie Le Pen spielt seit dem Wochenende definitiv keine Rolle mehr in der Partei, die er im Jahr 1972 gegründet hat. Obwohl er wegen antisemitischer und geschichtsrevisionistischer Ausfälle – die die Parteiführung als kontraproduktiv betrachtete – im August 2015 aus dem Front National (FN) ausgeschlossen worden war, spukte er bislang noch immer über die Flure der Parteizentrale in Nanterre bei Paris. Mehrere Instanzen, zuletzt das Berufungsgericht von Versailles im Februar, hatten ihn zumindest in einem Amt bestätigt. Es handelte sich um den Ehrenvorsitz, den seine Tochter und Nachfolgerin Marine Le Pen bei ihrem Amtsantritt als Parteivorsitzende Anfang 2011 speziell für ihn einrichten ließ. Damals dachte niemand daran, Widerrufs- oder Abberufungsregeln in der Parteisatzung festzuschreiben. So hatte die Partei einen Ehrenpräsidenten, dem zugleich alle sonstigen Mitgliedsrechte entzogen worden waren.

Seit dem Wochenende ist es auch damit vorbei: Der 16. Parteitag in der Geschichte der neofaschistischen Organisation verabschiedete einige Satzungsänderungen, die Passage über den Ehrenvorsitz wurde ersatzlos gestrichen. Ansonsten geht es insbesondere um die Namensänderung einiger Führungsgremien der Partei. Bei ihrer Gründung hatte die rechtsextreme Partei sich Leitungsstrukturen gegeben, die – gewissermaßen als spiegelbildliche Antwort auf den damaligen politisch-ideologischen Hauptfeind – dieselben Namen trugen wie bei der damals noch starken Französischen Kommunistischen Partei (PCF), also etwa »Politbüro« und »Zentralkomitee«. Dasselbe taten übrigens auch die Gaullisten respektive Neogaullisten; deren 1976 neu gegründete Partei RPR benutzte exakt dieselbe Terminologie.

Mittlerweile scheint man beim FN der Auffassung zu sein, es sei nicht mehr zeitgemäß, sich an der französischen KP abzuarbeiten, deren Niedergang unübersehbar ist. Also wurden die Namen nun durch einen Satzungswechsel geändert, aus dem bisherigen Zentralkomitee wird etwa ein »Nationalrat« (Conseil national). Solche Umbenennungen hatte auch die französische KP vorgenommen – allerdings bereits im Januar 1994, also über 23 Jahre vor dem Front National.

Ihren Namen ändern soll auch die Partei als solche, jedenfalls sofern der von Marine Le Pen am Sonntag in ihrer Abschlussrede vorgetragene Vorschlag in den kommenden sechs Wochen durch eine elektronische Abstimmung der Mitglieder angenommen wird. »Rassemblement national« (Nationale Sammlung) soll die Partei künftig heißen. Auch dies ist nicht sonderlich neu oder originell: Ebenso hieß bereits die Liste, die der damals von Jean-Marie Le Pen geleitete FN im März 1986 zu den französischen Parlamentswahlen antreten ließ – seiner insgesamt erfolgreichsten Wahl, denn damals galt das Verhältniswahlrecht und die Partei erhielt 35 Sitze und erlangte zum bislang einzigen Mal in ihrer Geschichte Fraktionsstärke in der Nationalversammlung.

Ansonsten bleibt so ziemlich alles in der Partei beim Alten, auch wenn ein Generationswechsel stattgefunden hat – über 80 Prozent der insgesamt 409 Kandidaten für den 100köpfigen nunmehrigen Nationalrat des FN sind ihm vor weniger als zehn Jahren beigetreten. Dass die Jugend nicht viel anders denkt als die Altvorderen und die Partei sich nicht etwa zu humanistischen und demokratischen Idealen bekehrt hat, belegte ein Vorfall am Freitagabend in Lille. Am Vorabend der Kongresseröffnung betrank sich der stellvertretende Vorsitzende der Jugendorganisation FNJ, der 23jährige Davy Rodriguez, in einer Bar in Lille. Im Streit mit einem Angestellten der Gaststätte beschimpfte er diesen Aufnahmen zufolge, die zuerst die Website Buzzfeed publizierte, unter anderem mit den Worten »du Scheißneger« und »Geh doch zurück nach Afrika, du Affe!« Umstehende versuchten, ihn zur Räson zu bringen und daran zu erinnern, dass er seit einem halben Jahr

Mitarbeiter eines Parlamentsabgeordneten – Sébastien Chenu – sei, also einen Ruf zu verlieren habe. Vergeblich. Rodriguez bestreitet die Vorfälle und behauptet, Opfer einer Manipulation ­geworden zu sein. Der Abgeordnete Chenu hat seinen Mitarbeiter Sonntagabend vom Dienst suspendiert.

Ausländischer Stargast des Parteitags war der US-Amerikaner Stephen Bannon, der in Ungnade gefallene ehemalige »Chefstratege« von US-Präsident Donald Trump. Er rief am Samstagnachmittag in den Saal: »Die Geschichte steht auf unserer Seite!« Damit bezog er sich unter anderem auf den Wahl­erfolg der rassistischen Lega – bis vor kurzem Lega Nord – in Italien. Zuvor war am 22. Februar die vormalige FN-Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen in den USA aufgetreten. Die Nichte Marine Le Pens hat sich offiziell aus der Politik zurückgezogen, wartet jedoch auf ihre Stunde und wird als nächste Präsidentschaftskandidatin der extremen Rechten gehandelt. Bei der »Conservative Political Action Conference (CPAC) 2018« hielt sie ihre Rede wenige Minuten nach der von US-Vizepräsident Mike Pence.