In der »Blue City« in Rotterdam soll die zirkulare Wirtschaft Realität werden

Kreisen in der blauen Stadt

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Reportage Von

 

18 Unternehmen haben sich unter dem Dach des Tropicana mittlerweile angesiedelt – von der Better Future Factory, die Plastik schreddert und daraus meist im 3-D-Printverfahren neue Produkte entwickelt, über Okkehout, wo Second-Hand-Holz zu Möbeln verarbeitet wird, bis zu den Architekten von Superuse Studios. Alle zahlen Miete, um aus dem ehemaligen Schwimmbad ein Zentrum und Vorzeigeprojekt der zirkularen Wirtschaft zu machen. Das lief natürlich nicht reibungslos an. Zwar erhielt Slegers 2012 unentgeltlich die Schlüssel für das Tropicana, aber als der Besitzer, ein dubioser Finanzmakler, drei Jahre später pleite ging und vor den Gläubigern ins Ausland floh, entschied sich die Bank, das ehemalige Spaßbad in einer Auktion zu verkaufen. »Also mussten wir uns nach Sponsoren umschauen«, so Slegers. Er setzte damals mit einigen Partnern einen Text auf, in dem sie beschrieben, was unter dem Namen Blue City entstehen soll, um um Geldgeber zu werben. Die kamen Ende 2015 ins Aloha, ein Restaurant mit Barbetrieb, das im vorderen Teil des Tropicana untergebracht ist, und ließen sich das Konzept vorstellen. Schließlich war es Wouter Veer, der sich entschloss, Blue City mit seiner Stiftung »Ifund« zu unterstützen. Für 1,7 Millionen Euro erwarb er das ehemalige Erlebnisbad und überließ es den nachhaltigen Startup-Unternehmen zur Nutzung.

 

Neustart mit Anspruch

Dadurch veränderte sich vieles in den Strukturen. »Während wir früher das Gebäude einfach genutzt haben, geht es heute um das wie – Wie wollen wir es nutzen und was soll daraus einmal werden«, sagt Slegers und im Hintergrund nickt Architekt Schiferli. Neue Menschen sind dazugestoßen, was zusätzlichen Schwung in die Sache brachte. Nächstes Frühjahr soll das Untergeschoss fertig sein, um dann endlich den »Dome«, wie das eigentliche Schwimmbadareal genannt wird, anzugehen. Die riesige Fläche von rund 10 000 Quadratmetern soll wieder zum Treibhaus werden, in dem wie vor dem Brand Obst und Gemüse gezogen werden und der Imker seine Bienenkästen aufstellt. Der Ort soll auch als Treffpunkt dienen, womöglich soll ein Kulturzentrum entstehen. »Uns schwebt eine multiple Nutzung vor. Auch Wohnungen soll es geben und wir haben schon grünes Licht, um Apartments in die bestehende Konstruktion zu integrieren«, sagt Schiferli.

Doch auch in den Niederlanden gibt es Vorschriften, die es der Blue City manchmal schwermachen, ihre Ideen umzusetzen. »Ist etwas als Müll eingestuft, wird es zum Beispiel schwierig, es wiederzuverwenden oder als Rohstoff aufzubereiten«, weist Slegers auf ein grundlegendes Problem der Blue Economy hin. »Streng genommen ist es derzeit illegal, Lebensmittel auf Abfall zu ziehen.«

 

»Wir geben Seminare zum Anbau von Austernpilzen im Kontext der ›Blue Economy‹ und produzieren Bioplastik mit einem Anteil von 40 Prozent Kaffeesatz.« Mark Slegers, Unternehmer

 

Die zuständigen Behörden in Rotterdam stehen der Idee der Blue City allerdings wohlwollend gegenüber, da die Stadt am eigenen Image feilt und auf Innovation und Nachhaltigkeit setzt. Die Pressestelle weist Journalisten auf die Blue City im Zusammenhang mit einer generellen Tendenz der Stadtentwicklung hin. So soll Europas größter Hafen bis 2050 »CO2-neutral« werden, wofür alsbald die ersten elektrisch betriebenen Container-Schuten auf die Nieuwe Maas gesetzt werden. Auch mehr Grün will die Stadtverwaltung und so fördert sie Dachgärten, sowie den Recycled Park von Architekt Ramon Knoester. Letzterer sorgt mit Plastikfallen entlang der Nieuwe Maas dafür, dass der Abfall nicht aufs offene Meer treibt. Aus dem Altplastik werden Kunststoffcontainer gefertigt, die mit Erde und Pflanzen bestückt im Hafenbecken verankert werden und aus denen langfristig begehbare Parks auf dem Wasser entstehen sollen. Eine charmante Idee, die ganz in der niederländischen Tradition steht, dem Meer Landflächen abzutrotzen.

In Rotterdam, das lange im Schatten von Amsterdam stand, ökologische Themen an Aufmerksamkeit. Mittlerweile gehen die Menschen immer öfter gegen den Kohleumschlag und die Emission von Treibhausgasen auf die Straße. Damit finden sie allerdings nicht immer Gehör. So hat das Umschlagsunternehmen Europees Massagoed Overslagbedrijf (EMO), über das der Großteil der Kohle im Rotterdamer Hafen verladen wird, jüngst beschlossen, bis 2043 im Hafen zu bleiben und den Kohleumschlag weiter im gewohnten Umfang zu betreiben – obwohl der Stadtrat erst im Herbst 2017 für das Auslaufen des Kohleumschlags votiert hatte. Für Slegers ist das ein Grund, möglichst unabhängig von der Politik zu agieren.