Das Desaster der italienischen Linken

Linke machen Plenum

Italien steckt nicht nur in einer politischen Krise. Auch die Wirtschaft hat Probleme. Die Staatsschulden sind hoch, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei rund 40 Prozent. Mitverantwortlich für die Misere ist die europäische Finanzpolitik.
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»Wenn es wegen eines Vetos gegen Savona zu Neuwahlen kommt, holen sie 80 Prozent der Stimmen.« Noch bevor die Weigerung des Staatspräsidenten Sergio Mattarella, den euroskeptischen Paolo Savona zum Wirtschaftsminister zu ernennen, bekannt wurde, ­hatte ein Reporter Massimo D’Alema am Rande des Parteitreffens von Liberi e Uguali (LeU) diese kurze Bemerkung abgelauscht. ­Offiziell hingegen war die vom ehemaligen Ministerpräsidenten gefürchtete politische Hegemonie der Lega und des Movimento 5 Stelle (M5S) im Falle von Neuwahlen beim Parteitreffen kein Thema.

Das aus zwei Linksabspaltungen des Partito Democratico (PD) und der Gruppierung Sinistra Italiana (SI) hervorgegangene Bündnis war vielmehr zusammengekommen, um das eigene schlechte Wahlergebnis von knapp drei Prozent zu analysieren und über die Organisation der entsprechend kleinen Parlamentsvertretung zu ­debattieren. Selbstkritisch bekannte die Führungsspitze, dass es aufgrund der jahrzehntelangen Mitgliedschaft im PD nicht gelungen war, als linke Alternative wahrgenommen zu werden. Die Entscheidung, ob LeU zukünftig als einheitliche Partei oder weiter als Föderation der drei Gründungsgruppen auftreten sollte, wurde vertagt.

Für die Sammlungsbewegung Potere al Popolo (PaP), die sich gleichzeitig in Neapel traf, ist die Autonomie der einzelnen Basisgruppen selbstverständlich. Dennoch stand auch für PaP bei der Vollversammlung im Centro Sociale »Je so’ pazzo«, von wo aus die Initiative zu einer überregionalen sozialen Bewegung im vergangenen Jahr ihren Ausgang genommen hatte, die Frage der Vernetzung im Vordergrund. Denn ausgerechnet Neapels Bürgermeister Luigi de Magistris hat mit Democrazia e Autonomia eine eigene ­Bewegung ins Leben gerufen, die eine Alternative zum PD und zum mit den Rechtsextremen bündnisbereiten M5S etablieren möchte. Inwieweit die beiden Initiativen kooperieren werden und ob sie zur Europawahl 2019 gemeinsam auf der von Yanis Varoufakis initiierten transnationalen Liste DiEM 25 antreten werden, wurde noch nicht entschieden.

Alle linken Splittergruppen verstehen sich als soziale Alternative zum neoliberalen Parteiprogramm des PD und des vom M5S mit der Lega ausgehandelten Regierungsvertrags. Jede fordert eine mehr oder weniger deutliche Abkehr von der europäischen Austeritätspolitik und die Rücknahme der in ihrem Namen vollzogenen Reformen des Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Rentensystems. Während LeU noch auf eine sozialdemokratische Rückbesinnung des PD spekuliert, steht für die andern linken Gruppen die Opposition zum PD außer Frage. Die Haltung zu den souveränistischen Tönen des M5S bleibt dagegen ambivalent. PaP versteht sich zwar ausdrücklich als antirassistische Bewegung und hat sich den Internationalismus auf die Fahnen geschrieben, vermeidet aber eine kritische Analyse der Frage, warum nur ein Prozent des Volkes, in dessen Namen die Bewegung auftritt, diese Ausrichtung bei den jüngsten Wahlen mit­tragen wollte, während viele aus den Basisgruppen überall im Land bereit waren, den M5S zu wählen, trotz oder auch wegen seiner souveränistischen Politik.

Tatsächlich lassen sich weitere Stimmengewinne für die Rechten vorerst wohl weder durch einen Zusammenschluss der Linken noch durch eine vergangene Woche beschworene »republikanische Front« aufhalten, sondern am ehesten durch die – keineswegs ­garantierte – Entzauberung des M5S im Regierungsalltag mit der Lega.