US-Präsident Trump muss bei ­seiner Migrationspolitik einen Rückzieher machen

Abschreckung um jeden Preis

US-Präsident Donald Trump hat mit einem Dekret die von seiner Regierung begonnene Trennung illegaler Einwanderer von ihren Kindern wieder beendet. Ob allerdings alle der mehr als 2 300 Kinder ihre Eltern wiedersehen werden, ist ungewiss.

Brownsville in Texas ist eine verschlafene Stadt an der mexikanischen ­Grenze, die selten in überregionalen Medien Erwähnung findet. Doch seit ein ehemaliger Walmart-Supermarkt zu einem Lager für die Kinder von ­Migranten umfunktioniert wurde, ist der Ort international bekannt. Zahl­lose Reportagen zeigten Hunderte von Kindern in Käfigen aus Drahtzäunen in dem Gebäude, das nun den kuriosen Namen »Casa Padre« trägt. Auf dem Boden lagen Wasserflaschen und riesige Rettungsfolien, die als Decken dienen sollten. In einem der Käfige warteten nicht weniger als 20 Kinder.

Brownsville dient mittlerweile als Symbol für ein mitleidsloses Vorgehen gegen Immigranten, das bislang als selbstverständlich geltende zivilisatorische Standards ignoriert. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass US-Präsident Donald Trump vergangene ­Woche überraschend per Dekret seine eigenen Vorgaben wieder zurückgenommen hat. Demnach dürfen Kinder nun nicht mehr von ihren Eltern getrennt werden, wenn sie nach einem illegalen Grenzübertritt verhaftet werden.

Dennoch bleiben über 2 000 Kinder weiterhin von ihren Eltern getrennt, weil »bestehende Fälle nicht rückwirkend gelöst werden«, wie ein Sprecher des Weißen Hauses lapidar erklärte. Was mit diesen Kindern geschehen soll, ist völlig unklar. Verantwortlich für die Wiedervereinigung der Familien, so das bizarre Argument, seien nun die Eltern.

Diese wissen jedoch häufig nicht, wo sich ihre Kinder überhaupt befinden. Sie wurden nach der Verhaftung sofort getrennt und in mitunter Tausende Kilometer entfernte Unterkünfte verfrachtet. Meist bleibt den verzweifelten Eltern nicht mehr als eine Registrierungsnummer, die nur schwer zu­geordnet werden kann. In einigen Fällen schließen die Anwälte der Be­troffenen nicht aus, dass die Kinder ihre Ange­hörigen nie mehr wiedersehen werden.

Justizmininister Jeff Sessions galt in seiner Zeit als Senator selbst unter Republikanern wegen extremer Positionen als Außenseiter.

Nach Auskunft der Flüchtlings­behörde Office of Refugee Resettlement (ORR) sind derzeit 11 000 Kinder in ­US-Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Zwischen Mitte April und Ende Mai dieses Jahres wurden 2 300 Kinder ihren Eltern an der Grenze zu Mexiko weggenommen. Allein in der ehemaligen Walmart-Filiale in Brownsville ­sollen sich noch rund 1 500 Kinder befinden.

Zu den Massenverhaftungen war es gekommen, nachdem Justizminister Jeff Sessions im Frühjahr eine Null-Toleranz-Politik ausgerufen und ­erklärt hatte, dass alle, die die US-Grenze illegal überqueren, strafrechtlich verfolgt würden. Zuvor war die »Catch and release«-Praxis üblich. Der Begriff aus der Sportfischerei beschreibt die ­Verhaftung von Asylsuchenden an der Grenze, die erst registriert und anschließend ins Land gelassen wurden.

Die Familientrennung war nach ­Meinung der jetzigen US-Regierung nötig geworden, da Kinder nach ­geltender Rechtsprechung maximal 20 Tage festgehalten werden dürfen. Da ihre Eltern während des Strafverfahrens aber monatelang in Unter­suchungshaft sitzen, brachten die US-Behörden die Kinder getrennt von ­ihnen unter.

Die US-Regierung will diese Frist nun abschaffen, »so dass wir die gesamte Familie länger als 20 Tage festhalten können«, wie Gene Hamilton, ein ­Berater des Justizministers, erklärte. Kommt die Regierung mit diesem ­Vorhaben durch, würde sich die Situation von geflüchteten Kindern weiter verschlechtern. Die neue Exekutivanordnung von Trump »würde es erlauben, Migrantenkinder auf unbestimmte Zeit unter gefängnisähnlichen Bedingungen festzuhalten«, sagte Wendy Young, die Präsidentin der Kinderschutzorganisation Kids in Need of Defense.

Ob dieses Vorhaben durchgesetzt werden kann, ist zweifelhaft. Um die ­Fristenregel abzuschaffen, benötigt die Regierung eine richterliche Erlaubnis. Zuständig dafür ist die Richterin Dolly M. Gee am Bundesbezirksgericht in Los Angeles. Sie ist die Tochter von Immigranten aus China und wurde von Präsident Barack Obama ernannt. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie dem Ansinnen der Regierung folgen wird.