Der in Russland inhaftierte ukrainische Regisseur Oleh Senzow ist seit dem 14. Mai im Hungerstreik

Sibirien ist fern der Stadien

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Die ukrainische Regierung präsentierte Anfang Juli für einen möglichen Gefangenenaustausch eine Liste mit 23 russischen Staatsbürgern, die in der Ukraine Haftstrafen absitzen. Einige Tage später erwog sie eine Erweiterung der Liste um 13 Häftlinge mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter auch Wyschinskij.

Aber die russische Regierung scheint es nicht eilig zu haben und versucht offenbar, den Preis weiter in die Höhe zu treiben. Als im Frühjahr über
Senzows Begnadigung spekuliert wurde, teilte dessen Anwalt Dmitrij Dinse mit, dass sein Mandant seiner Kenntnis nach in russischen Regierungskreisen als »Superterrorist« gehandelt werde und dem Inlandsgeheimdienst FSB wie ein »Knochen im Hals« stecke. Dinse vermutet Zwistigkeiten im Staatsapparat über das Vorgehen im Fall Senzow, der ein unbequemer Gefangener ist, aber einen hohen Tauschwert hat.

Wladimir Baluch wollte sich mit der Annexion der Krim ebenfalls nicht abfinden. Der Landwirt hisste auf dem Dach seines Hauses auf der Krim eine ukrainische Flagge, brachte noch dazu im Gedenken an die Toten des Kiewer Maidan ein Schild mit der Aufschrift »Straße der Helden der himmlischen Hundert« an und weigerte sich, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen. 2017 wurde er wegen des Besitzes mehrerer Patronen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, Anfang Juli wurde seine Haftstrafe auf fünf Jahre erhöht, weil er gegen den Leiter des Untersuchungsgefängnisses handgreiflich geworden sein soll. Baluch behauptet, es sei umgekehrt gewesen. Im März erklärte er einen unbefristeten Hungerstreik, auf Bitte des orthodoxen Erzbischofs der Krim trinkt er jedoch Tee mit Honig und isst Zwieback.

Die lokalen Strafverfolgungsbehörden konzentrieren sich allerdings auf die Krimtataren. Seit Ende Juni befindet sich Emir-Husein Kuku im Hungerstreik, der seit 2014 nach zahlreichen vermissten Krimtataren suchte und jene juristisch unterstützte, die inhaftiert sind. Wegen Verdachts auf Mitgliedschaft in der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir, die in Russland bislang keinen Anschlag verübt hat, droht ihm eine Haftstrafe von 25 Jahren. Glaubt man den lokalen Behörden, läuft die Urlaubssaison gleichwohl bestens. Eine Million ukrainischer Touristen sollen dieses Jahr bereits die Halbinsel vom Festland her besucht haben, was der ukrainische Grenzschutz allerdings dementiert.

Im Donbass wird hingegen weiter geschossen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellte im Mai und Juni bei allen Konfliktparteien einen rasanten Anstieg von Verstößen gegen das Minsker Abkommen fest, das eigentlich den Frieden bringen sollte. Während international der Einsatz von Blauhelmtruppen debattiert wird, ist an Ort und Stelle keine Annäherung in Sicht. Im Februar unterzeichnete der ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko ein Gesetz zur Reintegration des Donbass, das ihm weitreichende Vollmachten bis hin zu Militäreinsätzen nach eigenem Ermessen gewährt.

In den sogenannten Volksrepubliken stieß der Beschluss erwartungsgemäß auf wenig Begei­sterung. Aleksandr Sachartschenko, Regierungschef im abtrünnigen Donezk, stellte unlängst erneut klar, dass aus seiner Sicht nur zwei Lösungsmodelle in Frage kämen: Entweder die Ukraine gebe auf oder sie stimme unter einer neuen Führung direkten Verhandlungen zu. Beides ist unwahrscheinlich.