Eine Expedition an den bulgarischen Goldstrand zu feierwütigenn deutschen Touristen

Urlaub mit den Deutschen

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Am bulgarischen Goldstrand kommt die versprochene Bierpyramide zwar nicht zustande, dafür gibt es aber auch keine Dosenschlacht, Schlägereien oder sonstigen Ärger mit den Behörden. Die Labelacts geben hier Konzerte in der Poolbar »Megapark Dolphin« – nicht zu verwechseln mit der Freiluft-Großraumdisko »Mega-Park« in Mallorca – und im »Partystadl zum Roten Pferd«.

Bauboom im Nationalpark
Doch die Tourismusindustrie in Bulgarien hat nicht nur Freunde. Anfang ­dieses Jahres etwa protestierten Tausende Bulgarinnen und Bulgaren ­gegen die Umwandlung eines Teils des Nationalparks im Pirin-Gebirge, der von der Unesco als Weltnaturerbe anerkannt ist, zu einem weiteren Skigebiet.
Der Nationalpark Goldstrand grenzt heutzutage an das Strandbad Goldstrand. Bereits 1956 begann man dort mit dem Bau der ersten Hotelanlagen mitten in der Natur. Mit der Zeit wurde das Gebiet für Reisende aus Westdeutschland und der DDR interessant, die auch nach Albena oder an den ­Sonnenstrand fuhren. Einige DDR-Bürger versuchten damals, über Bulgarien in den Westen zu fliehen, indem sie von dort in die Türkei oder nach Griechenland reisten. Nach der politischen Wende im Jahr 1989 wurden in Bulgarien staatliche Urlaubseinrichtungen privatisiert und es entstanden auch neue Ressorts.

»Einige Naturgebiete wurden quasi in Beton gegossen und an Teilen der Schwarzmeerküste war es möglich, dank Korruption ohne offizielle Genehmigung zu bauen«, sagt eine bulgarische Ladenbesitzerin im Urlaubsort Kawarna, der nordöstlich vom Goldstrand an der Schwarzmeerküste liegt. Der Bauboom hat Spuren hinterlassen, davon zeugen die vielen leerstehenden Gebäude und Bauruinen in Strandnähe. Nicht nur in Kawarna, auch an anderen Orten an der bulgarischen Schwarzmeerküste sieht es häufig so aus. Der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt ging in Bulgarien in den ­Folgejahren der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise etwas zurück. Mittlerweile sind die Einnahmen aus dem Tourismus wieder leicht gestiegen.

Beim Schlendern über die Promenade hört man aus auf der Straße aufgestellten Lautsprechern in extremer Lautstärke die Schlagerzeile »Geh’ mal Bier holen, du wirst schon wieder hässlich«.

Es ist vier Uhr nachmittags in der Touristenstadt Goldstrand. Beim Schlendern über die Promenade hört man aus auf der Straße aufgestellten Lautsprechern in extremer Lautstärke die Schlagerzeile »Geh’ mal Bier holen, du wirst schon wieder hässlich«. Es reihen sich kleine Läden aneinander, in denen es allerlei billigen Kram zu kaufen gibt: Kalaschnikows als Halskettenanhänger, Fußballfanutensilien, Tassen mit dem Konterfei Wladimir Putins, gefälschte Markenuhren, Sonnenbrillen oder Holzpenisse, die als Flaschen­öffner dienen. Auch Wurfsterne und Schlagringe werden vereinzelt feilgeboten. Dazwischen gibt es Läden, in ­denen man sich eine Maniküre, Fischpediküre oder ein neues Tattoo gönnen kann.

Auch jede Menge Klamotten gibt es hier zu Billigpreisen. Viele davon werden in Bulgarien hergestellt, einige in der Türkei. Nach einer Untersuchung der NGO »Kampagne für saubere Kleidung« liegt die Bezahlung für in Bulga­rien in der Textilindustrie Beschäftigte sehr häufig deutlich unter den ohnehin schlechten handelsüblichen Löhnen. Einige Geschäfte verkaufen Produkte aus Rosen, die in großen Monokulturen im Rosental im Norden des Landes ­angebaut werden.

Ballern mit Sangria
Knapp eine Million Deutsche machten im vergangenen Jahr Urlaub in Bulgarien, viele davon am Goldstrand oder am Sonnenstrand. Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Tourismusstadt Goldstrand, die nordöstlich der Stadt Warna liegt, der größere Magnet für Deutsche. Deutsche Fußballclubs, Kegelvereine und Abiturklassen werden in Dutzenden Großhotels begrüßt. Der Pauschalurlaub am Schwarzen Meer ist immer noch billiger als in Mallorca, auch wenn die Preise in den vergangenen Jahren mancherorts leicht gestiegen sind. Am Goldstrand kostet etwa die Miete für eine Liege mit Auflage und einen Sonnenschirm umgerechnet rund zehn Euro pro Tag.

Seit Jahren gibt es das deutschsprachige Magazin Ballermann am Balkan. Von Jahr zu Jahr gibt es mehr deutsche Partymusik, mehr deutsches Bier und mehr Sauftourismus. »Ballern in Bulle«, dieses Motto hält die »Ballermann 6 Beachbar« (ehemals »Oberbayern«) am Goldstrand hoch. Sie bietet täglich von 16.30 bis 17  Uhr und von 22 bis 22.30 Uhr kostenlos Sangria an. ­Ansonsten kann man den Fünf-Liter-Eimer für 22,50 Euro kaufen. Dazu gibt es T-Shirts mit dem Aufdruck »Auswärts Asozial« des Sängers Killermichel, der mittlerweile ebenfalls Dauergast in Bulgarien ist. Auch er war während der Freibier­aktionen von Hüftgold in Mallorca dabei und feuerte die Menge zusammen mit ihm an. Zuvor hatte er bereits andere Freibieraktionen mit etwas weniger Bierdosen veranstaltet.

Zur diesjährigen Fußball-WM der Männer brachte Killermichel mit seinem Kollegen Pepe Palme das Lied »Hurra, hurra, die Deutschen, die sind da« heraus. Der Titel ist an den Spruch deutscher Fußballhooligans angelehnt, den man häufig in Stadien hört beziehungsweise während der die Spiele begleitenden Ausschreitungen. In seinem Webshop verkauft Killermichel jede Menge Fanartikel, die an die ­Fußball-Ultra-Kultur erinnern, zum Beispiel ein bedrucktes T-Shirt, das eine stilisierte Frau mit zwei Bengalos in der Hand zeigt, oder Schals mit dem Schriftzug »Killermichel Ultras«. Fußballfans, Ultras, aber auch Hooligans sind fester Bestandteil der deutschen Partyurlaubsszene in Mallorca. Hin und wieder kommt es zu Schlägereien ­unter verschiedenen Fangruppen.

Herbal Highs und Viagra
Auf den Promenaden des Goldstrands versuchen Angestellte der zahlreichen Clubs, den Urlauberinnen und Urlaubern eine Karte für die am Abend ­folgenden Partys zu verkaufen. Eine junge Frau mit weit ausgeschnittenem Top will die Karten einer Gruppe junger Männer andrehen – Sauf- und Sex­touristen sind die Zielgruppe. Ein Deutscher erzählt, dass es in den Clubs durchaus vorkommen kann, dass Frauen, die Männer antanzen, dafür und für alles Weitere Geld verlangen. Im Sexshop neben dem Erotikclub »Malibu« kann man »Herbal Highs« und Viagrapillen kaufen.

In vielen Restaurants wird der »Schopska-Salat« angeboten, bestehend aus Tomaten, Zwiebeln, Paprika, Gurken, geriebenem Weißkäse und Oliven – die Farbgebung erinnert an die bulga­rischen Nationalfarben weiß, grün, rot. Der Salat war 1956 speziell vom staat­lichen Unternehmen »Balkantourist« entwickelt worden. Ansonsten finden sich viele Fast-Food-Läden am Goldstrand.

Das Ferienparadies, das auch einen »Bierkönig Bulgaria« beherbergt, ist ­jedoch nicht nur ein Sauferlebnispark. Auf der Hälfte des etwa 3,5 Kilometer langen Strands finden sich eher ältere Menschen und Familien, im anderen Teil vergnügen sich die Jüngeren bei Kampftrinken und Ballermann-Partys. Vor einigen Jahren wurde auf den ­Promenaden ein im Maßstab 1:10 dem Eiffelturm in Paris nachempfundenes Gebäude erbaut, das als Aussichtsturm und Cocktailbar dient. Von dort aus kann man das Treiben gut beobachten. Oder sich auf ruhigere Abschnitte an der bulgarischen Schwarzmeerküste in weiter Ferne konzentrieren.