Ein Bericht über die Proteste im Hambacher Forst

Braunkohle und Brandschutz

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Reportage Von

Wie im Vietnamkrieg muss sich auch ein Polizeibeamter gefühlt haben, der der Rheinischen Post Auskünfte über ein »Tunnelsystem« gab, mit dem die Aktivisten Menschen und Waffen in den Wald schmuggeln würden. Die Aachener Polizei dementierte diesen Bericht umgehend, ebenso wie die über Twitter verbreitete Meldung von tödlichen Fallen im Wald.

Die Auseinandersetzungen begleitete die Polizei mit intensiver Propaganda. Zwei Tage vor Beginn der Räumung Anfang September hatte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) die Presse eingeladen. Er präsentierte Waffen, die die Polizei im Wald sichergestellt habe. Reul vergaß aber zu erwähnen, dass diese Waffen, darunter auch Äxte und Messer, die in einem Waldcamp durchaus banale ­alltägliche Verwendung finden, schon bei einer Durchsuchung vor zwei Jahren sichergestellt worden waren. Auch sonst nutzte Reul den Pressetermin, um ein Horrorszenario auszumalen. Im Wald befänden sich etwa 70 Menschen, davon seien 20 Prozent gewaltbereit; der Innenminister und die Polizeiführung bemühten Vergleiche mit den Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg. Zudem interessierten sich europaweit »Extremisten« für den Wald, hieß es. Mittlerweile hat die Polizei das Gebiet um den Hambacher Forst sogar zum »gefährlichen Ort« erklärt, somit sind nun jederzeit Personalienkontrollen und Durchsuchungen von Taschen und Autos möglich. Journalisten beklagten, dass Polizisten auch ihre Tätigkeit während der Räumungen der Baumhäuser behindert hätten.

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sebastian weiermann

RWE-Mitarbeiter und Subunternehmen arbeiteten bereits Anfang September im Wald daran, sämtliche Bauten, die die Waldbesetzer selbst als »Bodenstrukturen« bezeichen (im Unterschied zu den Baumhäusern), aus dem Wald zu entfernen. Klimaaktivisten von der »Aktion Unterholz« riefen daraufhin den »Tag X« aus und zu Protesten im Wald auf. Wenige Tage nach Räumungsbeginn nahmen mehr als 1 000 Menschen an einem Waldspaziergang teil. An anderen Tagen wurden die zuvor von Polizei und RWE-Mitarbeitern entfernten Bodenbauten und Barrikaden erneut errichtet. Ein Gespräch zwischen RWE und den Umweltverbänden Deutscher Naturschutzring, BUND und Greenpeace am 10. September blieb ergebnislos.

Mehrere Hundert Polizisten begannen daraufhin am 13. September dennoch mit der Räumung der Baumhäuser. Mit SEK, Wasserwerfern und Baumfällmaschinen versuchte die Landesregierung, Fakten zu schaffen. Begründet wurde der Einsatz jedoch nicht mit der Braunkohleförderung. Vielmehr argumentierte das NRW-Bauministerium unter anderem mit dem fehlenden Brandschutz in den Bauten. Die Polizei erwartete zunächst einen langwierigen Einsatz, bei dem auch auf Polizeikräfte aus ganz Deutschland zurückgegriffen werden müsse. Wasserwerfer und schwere Räumgeräte waren im Einsatz. Über 50 Baumhäuser gab es im Wald. Teilweise verfügten sie über sogenannte Lock-ons, in denen sich die Waldbewohner festschließen können. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur standen für die Räumung der Baumhütten spezielle Höheninterventionsteams bereit, die für derartige Einsätze ausgebildet sind. Neben den Besetzern selbst hatten zahlreiche Gruppen dezentrale Aktionen und Demonstrationen angekündigt um die Räumung zu stören. Bislang blieb der Protest allerdings friedlich. Zu Redaktionsschluss waren bereits 28 der 50 Baumhäuser geräumt.