Imprint - Der Antisemitismus im Iran seit 1979

Tradition des Hasses

40 Jahre »Islamische Republik« bedeuten 40 Jahre Antisemitismus im Iran.

Antisemitismus und Israelhass sind im Iran tief verwurzelt. Die antisemitische Ideologie der iranischen ­Islamisten basiert auf einer Verherrlichung einer konkretistisch ver­klärten, als organisch, authentisch, schicksalhaft und harmonisch gezeichneten Gemeinschaft der Muslime, die als permanent von zersetzenden Feinden bedroht halluziniert wird. Diese idealisierte Gemeinschaft wird gegen eine als chaotisch-abstrakt, entfremdet, künstlich, ­unmoralisch, materialistisch und widersprüchlich porträtierte und letztlich mit Juden oder dem jüdischen Staat und dem liberalistischen ­Westen assoziierte Gesellschaftlichkeit verteidigt.

Wenn über den Antisemitismus des iranischen Regimes gesprochen wird, gilt es, drei Punkte zu thematisieren: erstens die traditionelle Judenfeindschaft, wie sie sich besonders ausgeprägt, aber keineswegs ausschließlich beim bis heute von den Anhängern des Regimes verehrten Ayatollah Ruholla Khomeini findet; zweitens die Leugnung und Relativierung des Holocaust; und drittens die offenen Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel samt dem daraus resultierenden Agieren in der Region des Nahen Ostens. Keine dieser Komponenten verschwindet zu irgendeiner Zeit in der vor 40 Jahren ausgerufenen ­»Islamischen Republik«, aber in gewissen Phasen der islamischen ­Revolution treten einzelne Aspekte stärker in den Vordergrund.

Die offene Judenfeindschaft war vor allem für die vorrevolutionären Schriften Khomeinis charakteristisch, sie bricht aber auch nach 1979 immer wieder durch und bestimmt neben traditionellen islamischen Regelungen die diskriminierende Praxis gegenüber der im Iran verbliebenen jüdischen Minderheit. Die verbalen Attacken gegen Israel und die Unterstützung der gegen Israel agierenden Terrororganisationen ist eine Konstante in der Ideologie und Praxis des iranischen Regimes und wird seit 1979 bis zum heutigen Tag von ausnahmslos allen Fraktionen des Regimes formuliert und praktiziert. Die Holocaust-Leugnung hatte ihre Hochzeit während der Präsidentschaft Mahmoud Ahmadinejads, der sie ins Zentrum seiner Politik und Agitation rückte. Aber auch seine Vorgänger Ali Akbar Hashemi Rafsanjani und Mohammed Khatami waren Holocaust-Leugner, und der bis heute amtierende oberste geistliche Führer Ali Khamenei ist es ebenfalls. Von Seiten des aktuellen Präsidenten und seines Außenministers Mohammed Javad Zarif fand hinsichtlich der Holocaustleugnung seit 2013 eine partielle rhetorische Abrüstung statt, aber auch während Hassan Rohanis Amtszeit sind iranische Regierungsstellen in Veranstaltungen zur Leugnung des Holocaust involviert. Die Relativierung national­sozialistischer Verbrechen wird von der Rohani-Administration selbst ­betrieben – etwa, wenn Zarif 2013 verkündet: »Wir verurteilen das von den Nazis verübte Massaker an den Juden. Und wir verurteilen das von den Zionisten verübte Massaker an den Palästinensern«, womit er nicht nur die Shoah zu einem »Massaker« minimiert, sondern zugleich die Israelis zu den Nazis von heute erklärt, was von zahlreichen inter­nationalen Beobachtern als deutliche Distanzierung von der Holocaustleugnung ausgelegt wurde. Tatsächlich handelt es sich eher um eine Art Modernisierung des Antisemitismus im Sinne der Anpassung an ­internationale antiisraelische Gepflogenheiten.

Nicht zuletzt aufgrund der deutlichen Position von Khamenei in ­dieser Frage musste selbst ein Befürworter einer noch engeren Beziehung zwischen Deutschland und dem Iran wie Adnan Tabatabai, der Sohn des bis 1986 amtierenden Botschafters der »Islamischen Republik« in der Bundesrepublik, am Ende der ersten Amtszeit von Rohani einräumen, dass Holocaust-Leugnung »eine Konstante in der iranischen Außenpolitik bleibt«.

 

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Der Text ist die gekürzte und leicht bearbeitete Fassung eines Beitrags, der im Sommer 2019 unter dem Titel »Von der Delegitimierung zum eliminatorischen Anti­zionismus. Holocaustleugnung im Iran seit 9/11, Vernichtungsdrohungen gegen Israel und die regionale Expansion des Ajatollah-Regimes« mit umfangreichen Literatur- und Quellenangaben in dem von Samuel Salzborn herausgegebenen Band »Anti­semitismus nach 9/11. Ereignisse, Debatten, Kontroversen« bei Nomos erscheinen soll.