Rechtsterrorismus in Frankreich

Schwarze Vögel in Paris

In Frankreich sind erneut Rechtsextreme festgenommen worden. Sie hatten Anschläge auf Juden und Muslime geplant. Auch ein Angehöriger der staatlichen Sicherheitskräfte war in den Terrorplan verstrickt.

Wen soll man mehr hassen – Muslime oder Juden? Diese Frage ist – wenn auch nicht so direkt formuliert – seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Gegenstand von Richtungsstreitigkeiten in der französischen ­extremen Rechten. Eine faschistische Gruppe, die französische Ermittlungs­behörden am Dienstag vergangener Woche enttarnten, sah offenbar keinen Grund, sich zu entscheiden. Nach einem Bericht des französischen Fernsehsenders Business FM (BFM TV) plante sie Anschläge auf Juden und Muslime.

Die außerparlamentarische und gewaltaffinene extreme Rechten wird auf 3.000 Personen beziffert.

Die Gruppe mit dem Namen Oiseau noir (Schwarzer Vogel) plante offenbar, jüdische und muslimische Einrichtungen oder Personen zu attackieren. Im Online-Forum der Gruppe wurden Angriffe auf eine Moschee sowie auf das jährliche Treffen des »Rats der jüdischen Institutionen in Frankreich« (CRIF) ­besprochen. Von September 2018 bis Ende Mai 2019 waren insgesamt fünf Personen aus dieser Gruppe festgenommen worden. Zuerst traf es einen damals der Gendarmerie zugeteilten Zeitsoldaten, gegen den anfänglich wegen unerlaubten Waffenbesitzes ermittelt wurde. In seiner Wohnung wurden Munition für Kalaschnikows, Sprengstoff und eine Glock-Pistole gefunden. Unter den zwei Ende vorigen Monats festgenommenen Personen befindet sich auch ein 15jähriger Junge. BFM TV berichtete, dass gegen die Beschuldigten wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und des Verdachts auf Vorbereitungen terroristischer Akte ermittelt werde.

Erst Anfang des Jahres waren in Frankreich drei rechtsextreme Gruppen, Blood and Honour, Combat 18 und Bastion social, verboten worden. Zuvor gab es Razzien gegen die Action des forces opérationnelles im Juni 2018 und die Affäre um die im Oktober 2017 enttarnte Gruppe um den damals 21jährigen Logan Alexandre Nisin – einen vormaligen Wahlkämpfer des Rassemblement National (RN, früher Front National).

Der Fall Oiseau noir ist bereits die dritte Affäre um rechten Terrorismus in den letzten beiden Jahren. Nach der unerwartet deutlichen Niederlage Marine Le Pens (RN) bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2017 waren einige Anhänger der extremen Rechten offenbar zu dem Schluss gekommen, andere Aktionsformen als Wahlkampf und Parteipropaganda seien notwendig.

Die Regierung reagierte mit der Einrichtung einer Untersuchungskommi­sion. Am Donnerstag vergangener Woche wurde der 526 Seiten umfassende Abschlussbericht der parlamentarischen Kommission zum Thema »Ultrarechte« in Paris veröffentlicht. Als solche – ultradroite – oder, alternativ, als extrême droite radicale bezeichnet man die zumindest potentiell gewalttätigen, außerparlamentarischen rechtsextremen Gruppen und Verbände sowie »identitäre« Vereinigungen. Die in manchen Medien gängige Bezeichnung »radikale extreme Rechte« dient als Abgrenzung von einer vor allem parlamentarisch aktiven und als Wahlpartei auftretenden etablierten extremen Rechten wie dem RN. Allerdings droht sie in die Irre zu führen, da der Begriff suggeriert, es könne auch eine moderate extreme Rechte geben.

Den Untersuchungsausschuss hatte eine Mehrheit im Parlament im November vergangenen Jahres eingesetzt, nachdem im Vorjahr rechte Morddrohungen gegen den linkspopulistischen Politiker Jean-Luc Mélenchon sowie den Innenminister Christophe Castaner ­registriert worden waren. Den Vorsitz in der Untersuchungskommission erhielt die Abgeordnete Muriel Ressiguier von Mélenchons Wahlbündnis La France insoumise (LFI, ungefähr »Das aufsäs­sige Frankreich«). Im Laufe ihrer fünfmonatigen Arbeit hatte die Kommission neben antirassistischen Vereinigungen, Regierungsvertretern und Juristinnen auch Angehörige der »Ultrarechten« angehört. Unter ihnen befand sich Yvan Benedetti. Dieser firmiert als ­Vorsitzender einer Guppierung mit dem Namen Parti nationaliste français (PNF). In Wirklichkeit leitet er jedoch  die Ende 1968 gegründete und 2013 verbotene Gruppierung L’Œuvre française (Das französische Werk). Deren Vorsitz übernahm er 2012, nachdem er zehn Jahre lang dem Front National ­angehört hatte. Aus seiner politischen Einstellung macht der Neonazi keinen Hehl. Benedetti bezeichnete sich selbst einmal öffentlich als »antizionistisch, antisemitisch und antijüdisch«.

Am Mittwoch voriger Woche wurde er wegen Fortführung einer verbotenen Vereinigung in Lyon in zweiter Instanz zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Vor Gericht sagte er: »L’Œuvre française ist nicht tot!« Im Parlament bekannte Benedetti sich offen zur Holocaustleugnung. Die Zahl von sechs Millionen Getöteten sei »vollständig gelogen«. Der potokollierte Text seiner Anhörung wurde, anders als die anderen Dokumente des Untersuchungsausschusses, nach 48 Stunden von der Website der Nationalversammlung gelöscht. Mittlerweile hat das Parlament auch die Staatsanwaltschaft für ein Strafverfahren eingeschaltet. Denn Holocaustleugnung ist in Frankreich seit 1990 strafbar. Benedetti hatte die Parlamentarier auch provoziert, indem er beim Leisten seines Eids den rechten Arm in ähnlicher Form wie beim ­faschistischen Gruß erhob. Auch andere geladene Mitglieder der »Ultrarechten« entschieden sich für ein offensives Auftreten. Eine Vertreterin der rechtsextremen Frauenband Les Brigandes bezeichnete die Kommission während der nichtöffentlichen Ausschusssitzung als »bolschewistisches Tribunal«.

In ihrem Abschlussbericht spricht die Untersuchungskommission von der Gefahr eines Abgleitens in den Terrorismus bei Teilen der ultradroite, die ansonsten jedoch durch interne Machtkämpfe gespalten und geschwächt sei. Das Potential der außerparlamentarischen und gewaltaffinen extremen Rechten wird auf 3 000 Personen beziffert, eine Zahl, die seit langem ungefähr konstant blieb. Als Hochburg der militanten rechten Szene gilt Lyon. Die verstärkte Teilnahme von Angehörigen der Sicherheitskräfte im aktiven oder Reservedienst oder in Rente an solchen Gruppen wird im Bericht als Novum hervorgehoben. Auch ihr immer geschickteres Auftreten im Internet, das für das Eintreiben von Geldspenden ­genutzt werde, gilt als neu. Der Ausschuss schlägt daher eine Erleichterung von Organisationsverboten sowie eine Vereinfachung von Verurteilungen ­wegen »Aufstachelung zum Rassenhass« – das französische Äquivalent zum deutschen Volksverhetzungs­paragraphen – sowie eine Aufstockung geheimdienstlicher Mittel vor. Werbekunden auf rechtsextremen Websites sollen künftig öffentlich benannt ­werden.