Strafjustiz nach G20-Gipfel

Das war der Gipfel

Seite 2 – Mediale Kampagne gegen Linke

Die ersten Auswertungen zu dieser Frage waren zwar schnell vorgelegt worden: Die Interventionistische Linke schätzte den zivilen Ungehorsam als erfolgreiche Strategie ein; autonome Gruppen verklärten die diffuse Eruption spontaner Militanz in der für drei Stunden polizeifreien Zone auf dem Schulterblatt regelrecht; gewaltfreie anarchistische Gruppen verurteilten solche häufig mit dem Schlagwort »Insurrektionalismus« versehenen Akte der Militanz als verantwortungslose Fetischisierung von Gewalt; die Linkspartei begrüßte den Einsatz gegen Polizeiwillkür als starkes Engagement für Bürgerrechte. Es entstand jedoch keine große Debatte: Die unterschiedlichen Einschätzungen standen unvermittelt und unverbunden nebeneinander und wurden nur vereinzelt aufgegriffen.

Die meisten beteiligten linken Gruppen hielten sich in den Monaten nach den Gipfelprotesten in der Öffentlichkeit weitgehend zurück, denn es setzten eine heftige mediale Kampagne gegen radikale Linke ein. Auch die Behörden ermittelten mit Hochdruck. Olaf Scholz (SPD), 2017 noch Erster Bürgermeister von Hamburg, hatte nach dem Gipfel »harte Urteile« gegen »Gewalttäter« gefordert. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat bislang 3.567 Strafverfahren gegen mutmaßliche Gewalttäterinnen und -täter eröffnet, 1.228 gegen namentlich bekannte und 2.339 Verfahren gegen unbekannte Beschuldigte. Zur Anklageerhebung kam es bisher in mehr als 310 Fällen, Hamburger Gerichte haben 147 Angeklagte verurteilt.

Die höchste Haftstrafe verhängte der Amtsrichter Johann Krieten. Er verurteilte einen 36jährigen, der sechs Flaschen auf Polizisten geworfen hatte, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren mit der Begründung: »Damit es keine weiteren Gewaltorgien gibt, müssen klare Ansagen gemacht werden.« Krieten hat auch zwei weitere harte Urteile gefällt: Er verhängte einmal zwei Jahre und sieben Monate und einmal dreieinhalb Jahre Haft gegen zwei Beschuldigte. In beiden Fällen korrigierte die Berufungsinstanz die Urteile deutlich nach unten.