Die neue griechische ­Regierung geht gegen Hausbesetzer vor

Schöner investieren ohne Autonome

Ende August wurden im Athener Stadtteil Exarchia vier besetzte Häuser geräumt. Die neue konservative Regierung Griechenlands will das Viertel attraktiver für Investoren machen.

Ihren Worten ließ die seit Mitte Juli regierende konservative Regierung Griechenlands bald Taten folgen. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis von der Partei Nea Dimokratia hatte vor der Wahl, vor allem für den rechtsextremen Teil seiner Wähler, »die Säuberung Ex­archias« versprochen, des in der antiautoritären und autonomen Szene beliebten Stadtteils in Athen. Am 26. August räumte die Polizei dort vier besetzte Häuser, in zwei davon lebten zahlreiche Geflüchtete. 143 Personen wurden festgenommen, neun davon sollen abgeschoben werden. Seit den Räumungen ist in sozialen Netzwerken, aber auch auf Plakaten und Bannern der linken und autonomen Szene in Deutschland neben dem Hashtag #Hambi_bleibt auch #Exarcheia_resist zu lesen. Das Viertel, in dem traditionell Künstler, Studierende, Anarchisten, Linke, Handwerker und Migranten lebten, sei in Gefahr, so der Tenor. Die Regierung will die Aufwertung des Viertels vorantreiben. Die Kampagne kommt etwas spät, denn die Gentrifizierung von Exarchia ist bereits weit fortgeschritten.

Ein Großteil des Wohnraums des Viertels wurde bereits von Investoren aufgekauft. Reiche Chinesen, Türken, Russen und Araber können sich mit einem Immobilienkauf in Griechenland ein »goldenes Visum« sowie eine Anwartschaft auf eine Einbürgerung kaufen. Wegen der mehr als ein Jahrzehnt andauernden Verarmung der Bewohner waren die Immobilienpreise in Exarchia besonders günstig. Für Preise um 400 Euro pro Quadratmeter konnten Wohnungen in architektonisch interessanten neoklassischen Bauten erworben werden, nur zehn Minuten Fußweg vom Parlament entfernt. Sonst liegen die reinen Baupreise für Wohnraum in Griechenland nach den Aussagen von Bauunternehmern über 1.000 Euro pro Quadratmeter. Ein chinesischer Investor fand das Angebot in Exarchia einem Bericht von Kathimerini von 2017 zufolge so günstig, dass er allein knapp 100 Wohnungen gekauft haben soll.

Die Investoren erwarten Rendite, die Politik möchte sie nicht enttäuschen. Am Exarchia-Platz, wo sich das soziale Leben im Viertel konzentriert, soll eine Metro-Station gebaut werden. Die angestammten Bewohner und ihre Freunde stören dabei. Sie werden entweder, wie bei den jüngsten Räumungen, von der Polizei direkt vertrieben oder durch Polizeigewalt vergrault. Es ist nicht einfach, in einem Viertel zu leben, in dem nahezu täglich Tränengas das Atmen erschwert und mindestens einmal pro Woche Großaufgebote der Bereitschafts­polizei aufmarschieren.

Touristen hingegen leisten sich über Airbnb in Exarchia einen mit etwas Abenteuer und Krawall garnierten Aufenthalt im Szeneviertel. Verdrängt werden durch diese Entwicklung unter anderem Studierende und andere Menschen, die vom Mindestlohn (etwa 760 Euro) oder von weitaus weniger leben müssen. Der Durchschnittslohn für eine Supermarktkassiererin beträgt 400 Euro pro Monat, damit kann man nicht einmal mehr ein kleines Zimmer in Exarchia mieten. So wurden manche schlicht aus Not zu Hausbesetzern.

 

Die Verbündeten der Hausbesetzer sind Flüchtlinge und Migranten, die der Staat trotz Milliardenhilfen der Europäischen Union vernachlässigt. Das war bereits unter der Regierung von Alexis Tsipras (Syriza) so. Tsipras’ ehemaliger Regierungssprecher, Gavriil Sakellaridis, ist inzwischen Vorsitzender von Amnesty International in Griechenland und prangert die Flüchtlingspolitik des ehemaligen Ministerpräsidenten an. Zu Sakellaridis’ Zeit als Regierungssprecher, 2015, waren Hausbesetzer willkommene und öffentlich gelobte Helfer der Regierung, als es darum ging, Herbergen für die Flüchtlinge zu finden. Später, nach dem Schwenk zur Sparpolitik, ließ auch

Tsipras besetzte Häuser, in denen Flüchtlinge wohnten, gewaltsam räumen.
Sein Nachfolger Mitsotakis und dessen Regierung betrachten es als einen Akt der Humanität, Asylsuchende aus dem berüchtigten Lager Moria auf Lesbos in ein kaum besseres, nur mit Zelten und chemischen Toiletten aus­gestat­tetes Lager in den kühlen Norden Griechenlands, in die Gemeinde Kilkis, zu bringen. Anhänger von Mitsotakis jubelten bei Fernsehbildern, die zeigten, wie schwerbewaffnete Polizisten geflüchtete Frauen an den Haaren aus den besetzten Häusern in Exarchia zogen.

Der rechte bis rechtsextreme Flügel der seit Juli allein regierenden Nea ­Dimokratia feiert die Jagd der Polizei auf Autonome und Linke in Exarchia als »Wiederherstellung der Gesetzlichkeit«. Weder die Polizei noch die Nea Dimokratia scheinen sich für die ebenfalls im Viertel präsente Drogenmafia zu interessieren. Diese liefert sich mit einigen der Autonomen und Linken ­einen oft blutigen Kleinkrieg. Weiche Drogen wie Haschisch sind im Viertel verbreitet. Gegen Heroindealer gehen einige, wie zum Beispiel die anarchis­tische Gruppe Ruvikonas, jedoch vor. Die Gruppe hat bereits mehrfach nächtliche Protestzüge gegen Heroindealer im Viertel organisiert.

Das Hauptquartier von Ruvikonas ist das besetzte kommunale Kulturzentrum K-Vox. Auch dieses ist ein Ziel der »Säuberung«. Am 30. August drangen Polizeikräfte bis zu den Türen des K-Vox vor, und warfen Blend- und Tränen­gasgranaten in das Gebäude. Vieles deutet darauf hin, dass es bei einer Versuch der Räumung des K-Vox zu Ausschreitungen kommen könnte. Die Tatsache, dass die Polizei vorschriftswidrig Granaten in geschlossene Räume wirft und dies zu keinerlei disziplinarischen Konsequenzen führt, lässt den Schluss zu, dass Verletzungen und eventuelle Todesfälle billigend in Kauf genommen werden.